Die beiden Großreedereien Maersk und Hapag-Lloyd werden in ihrem neuem Bündnis Gemini Cooperation zwischen Europa und Fernost zunächst die Langstrecke um Südafrika herum befahren. Nach „gründlicher Überlegung“ und aufgrund „anhaltender Sicherheitsbedenken im Roten Meer“ sei die Entscheidung für die Route um das Kap der Guten Hoffnung herum gefallen, teilten die Unternehmen am Mittwoch mit.
Die mit Iran verbündeten Huthi im Jemen beschießen seit Ende 2023 die internationale Schifffahrt im Roten Meer und machen damit die Passage durch den Suezkanal für Beatzungen und Schiffe extrem riskant. Bei den Attacken wurden bereits Schiffe versenkt oder schwer beschädigt, eine Reihe von Seeleuten getötet und die Umwelt massiv geschädigt. Da die Lage in der Region „hochdynamisch“ bleibe, werde man aber zur traditionellen Route durch den Suezkanal zurückkehren „sobald es sicher sei“, dies zu tun.
Für das sogenannte „Cape of Good Hope network“ werden Maersk und Hapag-Lloyd insgesamt 340 Übersee- und Zubringerschiffe mit einer Gesamtkapazität von 3,7 Millionen Containereinheiten (TEU) einsetzen. Das Netzwerk umfasst 29 Fernliniendienste zwischen Europa und Asien sowie 28 Zubringerdienste. Für die klassische Route durch den Suezkanal hatten die beiden Reedereien mit insgesamt 300 Schiffen kalkuliert.
Hapag-Lloyd und Maersk verlassen ihre bisherigen Allianzen
Der Weg um Südafrika herum dauert je Richtung etwa zehn Tage länger. Um die – in der Regel wöchentlichen – Abfahrten in den einzelnen Liniendiensten sicherstellen zu können, müssen die Reedereien mehr Frachter einsetzen. Das dürfte auch zu höheren Transportpreisen für die die Container führen, die sogenannten Frachtraten. Die Routen zwischen Europa und Ostasien sind nach Volumen und Warenwert die wichtigsten Wege des Welthandels.
Hapag-Lloyd und Maersk verlassen für den Start der Gemini Cooperation ihre bisherigen Allianzen – Hapag-Lloyd war bislang Partner bei The Alliance, Maersk betrieb das Bündnis 2M gemeinsam mit der weltgrößten Linienreederei MSC. Hapag-Lloyd mit Sitz in Hamburg ist Deutschlands größte und die weltweit fünftgrößte Linienreederei, Maersk mit Sitz in Kopenhagen steht weltweit auf Rang zwei der Branche. Beide Unternehmen betreiben in Tochter- oder Schwesterunternehmen international auch zahlreiche Containerterminals.
Die Gemini Cooperation ist eine weltweite Allianz zwischen Hapag-Lloyd und Maersk. Ziel der beiden Schifffahrtunternehmen ist eine branchenweit führende Pünktlichkeit „von mehr als 90 Prozent“, wenn das neue Bündnis voll eingespielt ist. Die Fahrpläne aller Linienreedereien sind seit Monaten schwer gestört, nicht nur wegen der Lage am Roten Meer, sondern auch wegen etlicher anderer Umstände wie Unwettern oder Hafenstreiks.
Die Schifffahrtsbranche in Deutschland sieht diese Entwicklungen mit großer Sorge. Das ist das Ergebnis der neuen, 16. Reederstudie, die das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen PwC Deutschland am Mittwoch vorlegte. PwC hatte dafür im Frühsommer 124 Entscheider und Entscheiderinnen aus deutschen Hochseereedereien befragt. „Ein Großteil der auf den Weltmeeren transportierten Güter wird über wenige Hauptseerouten befördert. Ernsthafte Störungen an neuralgischen Stellen, wie dem Suezkanal oder dem Panamakanal, beeinträchtigen den Welthandel erheblich”, sagte André Wortmann, Leiter des Maritimen Kompetenzzentrums bei PwC Deutschland. „Auch hier macht sich der Klimawandel bemerkbar: So kann der Panamakanal aufgrund anhaltender Dürre nur noch eingeschränkt befahren werden. Aber auch die aktuellen geopolitischen Konflikte beeinträchtigen die Seeschifffahrt in vielen Regionen.“
Gefahren entlang der weltweiten Hauptseerouten nehmen zu
Terrorismus am Roten Meer, geopolitische Spannungen im Südchinesischen Meer, Dürre im Panamakanal oder Piraterie am Horn von Afrika: Die Gefahren entlang der weltweiten Hauptseerouten nehmen zu, schreibt PwC. „Mehr als acht von zehn deutschen Reedereien gehen davon aus, dass Handelskriege, Embargos sowie kriegerische Auseinandersetzungen die Schifffahrt maßgeblich beeinträchtigen werden und es zu einer Verschiebung von Einflusssphären kommen wird. In der Folge dürften sich lange Umwege ergeben, die zu längeren Transportwegen und -zeiten in der Seeschifffahrt führen – und damit auch Kosten und Emissionen nach oben treiben.“
Sorge bereitet den befragten Schifffahrtsexperten und -expertinnen auch die Aussicht auf eine erneute Amtszeit von Donald Trump: Acht von zehn Befragten erwarten dadurch eher negative Auswirkungen. Beispiele negativer Folgen seien reduzierte Transportvolumina durch Handelshemmnisse, Protektionismus, Einfuhrbeschränkungen und Importzölle sowie eine höhere weltpolitische Grundspannung. Die Bürgerinnen und Bürger der USA wählen am 5. November einen neuen Präsidenten oder eine Präsidentin – neben dem Republikaner Donald Trump steht die derzeitige US-Vizepräsidentin Kamala Harris von der Demokratischen Partei zur Wahl.
Trotz aller Risiken und Gefahren blicke der Großteil der deutschen Reedereien zuversichtlich in die Zukunft, heißt es bei PwC: Drei Viertel der Befragten erwarteten, dass das weltweite Ladungsaufkommen in den kommenden fünf Jahren steigen werde. Auch die Auslastung der Schiffe sei nach wie vor hoch: 86 Prozent der Reedereien sind nach eigenen Angaben voll ausgelastet. „Das hängt aber auch damit zusammen, dass viele Reedereien Umwege in Kauf nehmen, um die risikobehafteten Nadelöhre im Suezkanal und im Panamakanal zu umfahren – das bindet Kapazitäten”, sagte André Wortmann.