Waschen, schneiden, föhnen: Holger Stein glaubt an die Zukunft seiner Zunft. „Friseure werden immer gebraucht, dieser Beruf stirbt nicht aus“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks (ZV). „Ich sehe jedenfalls nicht, dass Roboter diesen Job einfach so übernehmen.“ Schließlich sei Kreativität gefragt, ebenso Geschick, Gespür und ein offenes Ohr für die Kunden, meint er. „Das kann eine Maschine so nicht leisten.“
Die große Frage aber ist: Wer wird den Deutschen künftig die Haare schneiden? Denn das Friseurhandwerk hat ein Nachwuchsproblem. Gerade mal 13.509 Ausbildungsverträge wurden 2023 geschlossen, so der Zentralverband des Deutschen Handwerks. 15 Jahre zuvor waren es noch mehr als 40.000.
„Die Nachwuchsproblematik ist und bleibt die größte Herausforderung für die Branche“, sagt Innungschef Stein. Zumal sich nach Verbandsangaben in den kommenden fünf bis zehn Jahren Zehntausende Babyboomer aus dem Berufsleben verabschieden werden und viele Salons zur Übergabe anstehen.
Als Gründe für den Einbruch der Ausbildungszahlen nennt Stein die demografische Entwicklung, die anhaltende Akademisierungstendenz bei jungen Menschen, aber auch das schlechte Image des Friseurberufs wie langes Arbeiten im Stehen bei vergleichsweise geringer Bezahlung.
Dabei gebe es eine große Diskrepanz zwischen dem öffentlichen Bild von Friseuren und dem individuellen Eindruck der Kunden. „Ich erlebe immer wieder hochzufriedene Menschen, die ihren Friseur schätzen und das Haareschneiden über Jahre und Jahrzehnte ausschließlich bestimmten Personen überlassen.“ Das Image des Berufs sei daher schlechter, als die Friseure es verdienten, sagt er.
Die Friseure, das sind aktuell rund 220.000 Fachkräfte in bundesweit knapp 80.500 Betrieben. Dazu gehören auch Barbershops, die Stein zufolge nichts anderes sind als Herrenfriseure.
Dass sich die Zahl der Salons seit der Jahrtausendwende um mehr als ein Viertel erhöht hat, liege am wachsenden Interesse an der Selbstständigkeit. Beim Branchenverband ist mittlerweile von „Atomisierung“ die Rede. „Die meisten Salons sind keine Kleinbetriebe mehr, sondern Mikrobetriebe“, sagt der ZV-Geschäftsführer. Es gebe 30.000 Solo-Selbstständige in der Branche, die durchschnittliche Betriebsgröße liege bei 1,4 Mitarbeitern zusätzlich zum jeweiligen Ladeninhaber.
Wirtschaftlich sei die Lage im Friseurhandwerk angespannt, heißt es vom ZV. Zwar lag der Nettoumsatz 2023 mit 7,44 Milliarden Euro auf hohem Niveau. Grund seien aber Preissteigerungen als Reaktion auf stetig steigende Mieten sowie höhere Energie- und Personalkosten.
Mit durchschnittlich 7,2 Prozent lag die Teuerungsrate für Friseurdienstleistungen dabei über der allgemeinen 2023er-Inflation in Höhe von 5,9 Prozent. Das hält zunehmend Kunden ab, genau wie die anhaltende Wirtschaftskrise.
„Die Besuchshäufigkeit ist gesunken“, berichtet Branchenvertreter Stein. Der Versuch einzelner Salons, mit Kampfpreisen Marktanteile zu gewinnen, sorge für zusätzlichen Druck. Für Stein ist das eine gefährliche Abwärtsspirale. „Niemand kann mit 13-Euro-Haarschnitten erfolgreich ein Geschäft führen“, sagt er.
Das könne sich jeder leicht ausrechnen. „Fest steht, dass die Situation in der Branche 2025 weiter angespannt bleiben wird“, so der ZV-Geschäftsführer. Um die Salons zu unterstützen, fordert der Zentralverband eine Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent für Friseurdienstleistungen.
Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie über Recycling und Mittelstandsunternehmen.