Ziemlich gut gelaunt verließen CDU-Chef Friedrich Merz, SPD-Chef Lars Klingbeil (47) und CSU-Chef Markus Söder (58) die erste Verhandlungsrunde über eine neue Regierung. Als vertrauensbildende Maßnahmen schwiegen sie eisern über den Verlauf der Sitzung, ließen ihre Generalsekretäre nur wortgleich die „konstruktive Atmosphäre“ loben.

Stunden später der Schock: US-Präsident Donald Trump (78) und Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj (47) zerstreiten sich vor laufenden Kameras. Nach diesem Eklat nehmen die Parteichefs gleich wieder Kontakt auf.

Denn sie spüren, dass mit dieser Eskalation der Weltlage der Druck auf sie, eine schnelle Regierungsbildung hinzukriegen, noch mal gestiegen ist. Gleichzeitig ist ihr größtes Problem, wie sie all ihre Pläne finanzieren wollen, noch mal gewachsen. Nach dem Trump-Ausraster wird Deutschland noch viel mehr Geld für Waffen ausgeben müssen. Dabei geht es um zwei mögliche Sondervermögen: eins für die Bundeswehr und ein weiteres für die Infrastruktur. Grundlage ist ein Dokument führender Ökonomen. Die Wirtschaftsexperten beziffern darin den Investitionsbedarf für die Bundeswehr auf 400 Milliarden Euro und den für Infrastruktur auf bis zu 500 Milliarden Euro.

Milliarden-Loch drängendste Herausforderung

Das Milliarden-Loch ist die drängendste Herausforderung für Union und SPD. Finanzminister Jörg Kukies (57, SPD) trug den 18 Unterhändlern (9 von der SPD, 5 von der CDU, 4 von der CSU) vor, wie groß das Haushaltsloch ist.

Schwierigkeit: Alle wissen, dass sie mehr Geld auftreiben müssen. Die Union will bislang aber nur ein Sondervermögen für die Bundeswehr einrichten (im Gespräch sind 200 Milliarden Zusatzschulden). Die SPD hingegen fordert nicht nur mehr Geld fürs Militär, sondern auch für Schulen, Schienen, Straßen. Dafür will sie die Schuldenbremse reformieren, damit mehr Kredite für alle möglichen Investitionen erlaubt sind.

Die Runde vereinbarte: Übers Wochenende loten die Finanzexperten beider Seiten mögliche Kompromisse aus. Am Montag treffen sich dann die 18 Verhandler wieder. Denn: Bevor über andere Themen verhandelt wird, soll als Erstes die Finanzfrage geklärt sein.

Doch auch sonst weiß Merz: Diese Regierungsbildung wird noch ein verdammt steiniger Weg. Er hat vier weitere Baustellen und gar nicht so viel Macht, wie es nach dem Wahlsieg scheint.

Problem Erpressbarkeit: Merz ist sklavisch an die SPD gekettet. Eigentlich war es das geheime Haupt-Wahlkampfziel des CDU-Chefs, am Ende zwischen SPD und Grünen als Partner auswählen zu können, um so die beiden gegeneinander ausspielen und die Preise nach unten treiben zu können. Doch Pustekuchen! Wegen der Schwäche der Grünen (nur 11,6 Prozent) und der knallharten Brandmauer zur AfD bleiben ihm nur die Genossen als Koalitionspartner.

Problem SPD-Wut: Direkt nach der Wahl gab Merz die Parole Wattebausch aus. Im Bundesvorstand befahl er, alle Provokationen in Richtung SPD zu unterlassen. So richtig gut hat das bislang nicht geklappt. Viele Genossen nervt, dass sich der CDU-Chef schon jetzt wie ein Kanzler aufführe. Auslöser des Ärgers:

Merz muss versprochene Politikwende hinbekommen

▶︎ Merz schickte eine Vereinbarung ins Kanzleramt, mit der sich Scholz schriftlich verpflichten sollte, Merz ab jetzt in alles einzubinden, keine eigene Außenpolitik zu machen, niemanden zu befördern, keine Kabinettsbeschlüsse mehr zu treffen. Augenrollen bei der SPD, die das Schreiben schlicht ignorierte.

▶︎ Merz flog erst mal nach Paris zu Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (47). Erst drei Tage später hatte er Zeit, die SPD zu treffen.

▶︎ Richtig wütend machte Merz die SPD, weil er 551 Fragen an die rot-grüne Bundesregierung schickte zur Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen (die zu Anti-Rechts-Demos aufgerufen hatten).

▶︎ SPD-Chefin Saskia Esken (63) ignorierte er. Kein Anruf, keine SMS. Esken kündigte für die Verhandlungen an: „dass ich nerve“.

Problem Wahlversprechen: Merz muss in den Koalitionsverhandlungen die versprochene Politikwende hinbekommen. Allen voran bei Migration (Zurückweisungen an den Grenzen) und der Wirtschaftswende. Doch die SPD denkt gar nicht daran, diesen Weg mitzugehen. Die Genossen sind nach der historischen Wahlklatsche (16,4 Prozent) gedemütigt. Und erwarten von ihrem Chefverhandler Klingbeil, dass er Merz Zugeständnisse abtrotzt.

SPD nutzt zwei Druckpunkte

▶︎Der Koalitionsvertrag muss einen SPD-Mitgliederentscheid überstehen. Bedeutet: Die Sozis können in den Verhandlungen öfter sagen, dass ihre Mitglieder diesen oder jenen Unionswunsch leider nicht mitmachen werden.

▶︎ Schwarz-Rot hat nur eine 12-Stimmen-Mehrheit im Parlament. Und schon jetzt droht mehr als ein Dutzend SPD-Parlamentarier, bei der Kanzlerwahl nicht für Merz zu stimmen.

Problem Söder: Merz hat es mit einem super-starken CSU-Chef zu tun, der in Bayern immerhin ein Ergebnis von 37,2 Prozent einfuhr. Söder will jetzt alles, womit er Wahlkampf gemacht hat, umsetzen. Darunter auch die Erhöhung der Mütterrente, die auf große Skepsis bei der CDU trifft. Heißt: Merz muss mit Söder genauso wie mit der SPD-Führung Kompromisse aushandeln. Seine schwarz-rote Zweier-Koalition ist in Wahrheit schon jetzt eine Dreierkoalition wie die Ampel.

Scheitern die Verhandlungen, steht Merz Kanzlerschaft infrage und ihm bleiben nur äußerst unangenehme Alternativen: eine instabile Minderheitsregierung, eine Zusammenarbeit mit der AfD oder Neuwahlen.