Hubertus Heil hat gegenüber ntv gesagt, was er seit Monaten sagt – dass das Bürgergeld 2025 nicht erhöht wird. Man könnte die Meldung, die aktuell über sämtliche Newsticker läuft, also ignorieren. Doch der Bürgergeld-Komplex ist mittlerweile dermaßen aufgeladen, dass selbst das schlichte Wiederholen von Feststellungen neue Debatten nach sich zieht.
Worum geht es also? Der Bürgergeld-Regelsatz ist, getrieben durch die hohe Inflation seit Anfang 2022, innerhalb von zwei Jahren um 24 Prozent erhöht worden. Das ist ein prozentualer Anstieg, von dem Arbeitnehmer auf dem Lohnzettel nur träumen können.
Und dennoch: Die Erhöhung folgte schlicht dem entsprechenden Gesetz, für das nicht nur die Ampel, sondern auch die CDU gestimmt hatte. Hubertus Heil ist gar nicht in der Lage, nach Belieben das Bürgergeld zu erhöhen oder zu kürzen.
Nun aber hat dieses Gesetz ein Problem: Die Teuerung sollte nach der Ablösung von Hartz IV aktueller einbezogen werden. Denn neben der Basisfortschreibung von Löhnen und Preisen bezieht die aktuelle Berechnung die Inflation aus dem zweiten Quartal des Vorjahres mit ein – konkret also den Wert des Frühjahrs 2023. Das wiederum hat dazu geführt, dass die kräftige Erhöhung auch dann noch galt, als die Inflationsrate wieder sank.
Anders gesagt: Der Bürgergeld-Regelsatz ist aktuell zu hoch. Das ist keine populistische Verunglimpfung, wie etwa die Sozialverbände behaupten, sondern die Feststellung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Die hohe Anpassung wird 2025 aber automatisch wieder weggeschmolzen – weil es statt einer weiteren Inflationsangleichung die Nullrunde geben wird. Real kommt eine Nullrunde also einer Kürzung gleich, weil die Teuerung nicht mehr ausgeglichen wird. Theoretisch ist das sogar in zwei aufeinanderfolgenden Jahren möglich, sagen die Forscher.
Heil handelt nach dem Prinzip Hoffnung
Bürgergeldbeziehern jedoch im laufenden Jahr 14 bis 20 Euro abzuziehen, so wie es die FDP jüngst forderte, ist keine sinnvolle Lösung. Die Einsparungen wären überschaubar, die Arbeitsanreize würden dadurch kaum erhöht. Was wirklich Einsparungen bringen würde – die Ausgaben für das Bürgergeld belaufen sich auf fast zehn Prozent des gesamten Haushalts – ist die deutliche Reduzierung der Zahl der Empfänger.
Genau die hat Heil für 2025 schon eingepreist: Statt konkret in seinem Haushalt zu sparen, so wie es die anderen Minister machen müssen, handelt der Minister nach dem Prinzip Hoffnung: Die Bürgergeld-Ausgaben sollen nächstes Jahr sinken – weil es gelingen wird, die Zahl der Empfänger nach unten zu bringen.
Genau das droht jedoch zur Luftbuchung zu werden; starke Zweifel sind angemessen. Bisher ist nämlich das Gegenteil passiert. Seit Einführung des Bürgergeldes ist die Zahl der Empfänger um mehr als 200.000 auf nunmehr 5,5 Millionen gestiegen – auch, aber nicht nur wegen der Aufnahme der Ukraine-Flüchtlinge. Als erwerbsfähig gelten von den Empfängern knapp vier Millionen, hier ist der prozentuale Anstieg noch größer.
Ein knappes Jahr hält die Ampel wohl noch. Und das, was Heil verspricht, nämlich „die Menschen nachhaltig in Arbeit zu bringen“, will einfach nicht eintreten. An dieser Stelle noch mal der Hinweis auf das IAB: Eine Studie aus dem Sommer suggeriert, dass die Anreize zur Arbeitsaufnahme durch das Bürgergeld gesunken sind.
Der Bevölkerung weismachen zu wollen, das Bürgergeld und der sogenannte „Jobturbo“ würden gut funktionieren, ist daher wenig glaubhaft. Nur eine ehrliche Fehleranalyse hilft nun weiter.
Das Beste, was der Arbeitsminister Heil und seine Ampel-Kollegen jetzt machen können, ist einzugestehen: Man hat sich beim Bürgergeld verrechnet – und zwar nicht in der Höhe der Regelsätze, sondern in dem, was das Gesetz überhaupt bewirken soll.
Jan Klauth ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Arbeitsmarkt-Themen, Bürgergeld, Migration und Sozialpolitik sowie Karriere-Themen.