Aus alten Eichen lässt sich viel Holz schlagen…
Klug, kantig, kritisch und klar hat Bundespräsident a.D. Joachim Gauck (84) bei Caren Miosga (55) die Landtagswahl in Brandenburg weit über den Tag und die Zahlen hinaus eingeordnet.
In einer der wichtigsten Fragen ging Gauck dabei auf Gegenkurs zu zwei der wichtigsten deutschen Politiker: NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (49) und SPD-Chef Ralf Klingbeil (46).
Gleich zu Beginn hatte die Talkmasterin die beiden Spitzenpolitiker mit dem Urteil zitiert: „Die AfD ist eine Nazi-Partei!“ Miosgas Frage dazu an Gauck: „Haben die recht?“
Gaucks Antwort: „Nein, das haben sie nicht.“ Aber, so Gauck weiter: „Es sind Nazis in dieser Partei. Nazis gibt es in ganz Europa, besonders viele übrigens in Russland. Aber diese Leute werden wir nicht los, weil wir das Destruktive aus unserer Gesellschaft nicht verbannen können.“
Gaucks Analyse: „Das Problem besteht nicht darin, dass übergroße Anzahlen von Wählern in Europa Adolf Hitler zurückhaben wollen, also ein Nazi-Reich. Das Problem besteht darin, dass sie ihrer eigenen Kraft der Gestaltung unseres Gemeinwesens weniger zutrauen als bestimmten Führungskräften. Sie möchten lieber Gefolgschaft sein.“
Denn, so der Bundespräsident: „Diese selbstbestimmte, auf Debattenkultur beruhende offene Gesellschaft macht ihnen Angst, und deshalb gibt es diese Anschlussform an die Nazi-Ideologie.“
„Aber wir würden einen schweren Fehler machen“, warnte der Bundespräsident a.D., „wenn wir unsere politische Auseinandersetzung, die unbedingt sein muss, konzentrieren würden auf die Nazi-Frage. Die sind da, aber das andere Problem der Sehnsucht nach autoritärer Führung und Unterordnung, das ist das gewichtigere.“
Freiheit, machte Gauck klar, heiße nicht nur „Ich fühle mich glücklich“, sondern „Ich fühle mich verantwortlich“, und das überfordere viele Menschen.
Seine Kritik: „In Deutschland gilt ja der als besonders intelligent, der besonders nachdrücklich klagen und das Elend dieser Welt beschreiben kann. Wenn Sie glücklich und dankbar sind, machen Sie sich verdächtig, geistig minderbemittelt zu sein!“
Über CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz (68) sagte Gauck: „Ihm sind eine Reihe von konservativen Wählern verloren gegangen. Etwa 33 Prozent der Menschen möchten das Bewahrende gesichert wissen. Die fürchten sich vor Veränderungen. Für die muss er konservative Angebote machen. Da kann man sich vergreifen.“
Denn, so der Bundespräsident a.D.: „Man darf niemals die Ressentiments der Fremdenfeinde benutzen. Deshalb können wir auch als Union, können die Unionsmenschen nicht koalieren mit dieser AfD. Wenn die AfD sich ändern und so eine Art Schweizerische Volkspartei wird, ist es vielleicht anders, aber mit dieser AfD gibt’s keine Koalition. Punkt!“
Sein Rat an die Wahlverlierer von Brandenburg: „Da kann man der Union nur alles Gute wünschen und sagen: Bleibt mal konservativ und gebt den Leuten ein Gefühl: Wir denken an euch. Eure Sicherheit, euer Halt im Leben, im politischen und gesellschaftlichen Dasein liegt uns am Herzen.“