Der Glaubenskrieger

Jeder, der nur vor dem Computerbildschirm sitzt, werde ersetzt werden, sagte gerade Emad Mostaque, der Gründer von Stability.ai, ein KI-Startup, das mit Stable Diffusion einen führenden Text-zu-Bild-Generator betreibt. Das würden die vier Millionen Menschen in Indien zu spüren bekommen, die für ausländische Unternehmen Call-Center- oder Programmierarbeit erledigen. KI sei schlicht besser als jeder dieser indische Programmierer. Schon 2025 gehe es richtig los mit der Jobvernichtung, und der Subkontinent sei nur der Anfang.

Wer sich gruseln will im Angesicht der gewaltigen Herausforderungen, die da auf die Menschheit zukommen mit der fortschreitenden Revolution bei der künstlichen Intelligenz, muss in diesen Wochen nicht lange suchen. Sogar viele von den Revolutionären selbst, wie eben Mostaque, warnen inzwischen vor den Nebenwirkungen dessen, was sie da angerichtet haben.

Und dann ist da Sam Altman, das Gesicht der KI-Revolution schlechthin. Altman, dessen Start-up OpenAI mit der Veröffentlichung des Sprachmodells ChatGPT 3.5 im November 2022 den Boom erst ausgelöst hat, ist zugleich ihr größter Cheerleader.

Wie gut er seine Sache macht, hat er gerade in Deutschland bewiesen, in der TU Berlin. Dort saß er bei einer Podiumsdiskussion im Audimax, die Karten waren binnen 30 Minuten ausverkauft, mehr als 1000 Fragen an den Amerikaner erreichten die Veranstalter schon im Voraus.

Altman, 39, und das kommt seiner Glaubwürdigkeit zugute, fehlt das Haifischartige eines Elon Musk oder eines Peter Thiel völlig. Er sieht eigentlich immer aus wie gerade trockengerubbelt. Und mit zusammengezogenen, auf Weltschmerz weisenden Augenbrauen kommt sein ungebremster Glaube an die Kraft der Technologie gleich viel harmloser daher als bei einem Marc Andreessen.

In Berlin versucht er es mit Nettigkeiten. Deutschland? Bei KI-Anwendungen „in den Top 5 weltweit“. Die EU? „Ein starkes Europa ist wichtig für die Welt“, so Altman. Open AI werde sich in Europa an die Gesetze halten und den Willen der Bürger akzeptieren. Die anschließende Warnung kommt leiser daher, als man es inzwischen aus dem Silicon Valley kennt. Weniger scharf ist sie damit nicht: Die Europäer müssten halt selbst entscheiden, welches regulatorisches Regime sie wollen. So oder so aber sei es in ihrem „Interesse, KI zu adaptieren und nicht hinter dem Rest zurückzufallen“.

Job-Ängste wegen KI? Nicht mit Sam Altman. Klar, sagt Altman, „Programmieren Anfang 2025 und am Ende von 2025 werden zwei ganz verschiedene Dinge sein, und du willst auf der guten Seite diese Trends sein.“ Wie das geht? Lernen, KI-Tools effektiv zu nutzen, sei wichtig, dazu Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit sowie die Fähigkeit herauszufinden, was Menschen wollen.

Eine KI-Lösung für die Klimakrise

Eigentlich aber, glaubt Altman, ohne es explizit zu sagen, steht das Schicksal des einzelnen betroffenen Erwerbstätigen zurück hinten dem Wohlstand, den KI-Fortschritt für die Gesellschaft als Ganzes erzeugen kann.

„Ich glaube nicht, dass ich klüger sein werde als ChatGPT 5“, sagt er mit Blick auf das nächste, grundlegende neue Sprachmodell von OpenAI. „Und ich bin nicht traurig darüber“. Denn ChatGPT 5 und seinesgleichen würden „ein verrücktes Hochintelligenz-Werkzeug für die Wissenschaft“ sein, „und das ist gut für uns“.

In einem Jahr lasse sich bald wissenschaftlicher Fortschritt erzielen, für den Forscher bisher zehn Jahre gebraucht haben. Auch ein ganzes Jahrhundert Forschung lasse sich irgendwann in einem einzigen Jahr erledigen – mit gewaltigem Nutzen für die Menschheit.

In der Altman-Welt ist denn auch kein Problem wirklich zum Verzweifeln. Erderwärmung? Eine lösbare Sache, wenn technischer und wissenschaftlicher Fortschritt dank KI in ganz neuem Tempo voranschreiten können. „Wir sind völlig verloren, wenn wir keine wissenschaftliche Lösung für den Klimawandel finden“, sagt Altman. „Ohne KI hat die Wissenschaft das nicht geschafft, jetzt lasst es uns eben mit KI versuchen.“

Und wenn KI nicht liefert, weil sie selbst nicht schnell genug vorankommt? Unrealistisch bis auf Weiteres, aber die nächsten 24 Monate würden „vermutlich noch beeindruckender“ sein als die letzten 24 Monate. „Ich kann gar nicht überzeichnen, wie viel Fortschritt wir machen werden in den kommenden zwei Jahren“, sagt Altman. „Wir wissen, wie wir diese Modelle verbessern, und ich sehe keine offensichtlichen Hindernisse vor uns.“

Selbst vergleichbar irdische Dinge wie der Aufbau einer geeigneten Infrastruktur sieht Altman nicht als Nadelöhr, jedenfalls nicht in den USA. Das Projekt „Stargate“, das Altman zusammen mit Donald Trump vorgestellt hat und das vorsieht, für 500 Milliarden Dollar binnen fünf Jahren ein gewaltiges Datenzentren-Netz zu bauen? Kein Luftschloss, im Gegenteil, sagt Altman: „Vielleicht schaffen wir das auch in drei Jahren.“

Olaf Gersemann berichtet über künstliche Intelligenz, Globalisierung, Staatsverschuldung, Demografie und Digitalisierung

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