Es war nicht mehr als eine Delle. Dass die Bio-Branche in Deutschland 2022 nach zuvor Jahrzehnten des Wachstums an Zuspruch und Umsatz verloren hat, lag wohl allein an der damals sehr hohen Inflation und den daraus folgenden Sparzwängen der Konsumenten.
Darauf jedenfalls lassen die jüngsten Zahlen schließen. Denn sowohl 2023 als auch 2024 ging es wieder spürbar nach oben mit den Verkaufszahlen von Lebensmitteln aus ökologischem Anbau und nachhaltiger Tierhaltung. „Die Verbraucher greifen wieder stärker zu Bio“, berichtet Tina Andres, die Vorstandsvorsitzende des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW).
Rund um die 17-Milliarden-Euro-Marke pendelt der Bio-Umsatz im Jahr mittlerweile. „Das ist angesichts der schlechten wirtschaftlichen Gesamtentwicklung ein beachtlicher Sprung nach vorne“, sagt Andres. Meistgekaufte Produkte sind dabei Eier, gefolgt von Obst, Gemüse und Kartoffeln, sowie von Milchprodukten, Fleisch und Brot.
Verpackte und länger haltbare Bio-Lebensmittel wie Müsli, Nudeln, Fertiggerichte oder Gebäck weisen dabei zuletzt deutlich höhere Wachstumsraten auf als Frischeprodukte, meldeten der BÖLW wie auch der Deutsche Bauernverband zuletzt im Umfeld der Grünen Woche in Berlin, der weltgrößten Verbraucherschau für Landwirtschaft und Ernährung.
Branchenexperten führen diese Entwicklung darauf zurück, dass auch in herkömmlichen Supermärkten, Discountern und Drogerien die Breite des Bio-Sortiments deutlich gewachsen ist. Ohnehin haben die klassischen Händler den Bio-, Naturkost- und Hofläden längst den Rang abgelaufen.
Jahr für Jahr verschieben sich die Marktanteile immer deutlicher, Aldi wirbt schon damit, der größte Bio-Händler in Deutschland zu sein. Unter dem Strich entfallen mittlerweile mehr als zwei Drittel des Umsatzes der Öko-Branche auf den klassischen Lebensmitteleinzelhandel, der auch im Bio-Segment verstärkt auf günstige Eigenmarken setzt.
Der Fachhandel wiederum liegt laut BÖLW bei nicht mal mehr 20 Prozent Marktanteil. Das bleibt nicht ohne Auswirkungen: Die Kette Superbiomarkt aus Münster musste zwischenzeitlich Insolvenz anmelden, gilt mittlerweile aber als saniert. Ähnlich ist es bei Biomare aus Leipzig. Basic aus München wiederum verschwindet vom Markt, die bundesweit verbliebenen 19 Filialen wurden aber von Tegut übernommen.
Die verkauften Waren kommen dabei aus aller Welt. Anbau und Produktion innerhalb Deutschlands steigen allerdings stetig. Gleichwohl klafft zwischen dem Status quo und den politischen gesetzten Zielen eine große Lücke, konstatiert das bundeseigene Thünen-Institut, das zur Entwicklung ländlicher Räume forscht.
30 Prozent Bio bis 2030 lautet die Vorgabe der früheren Ampel-Koalition. Tatsächlich aber wurde 2023 auf nur knapp zwei Millionen Hektar landwirtschaftlicher Fläche ökologisch gewirtschaftet, der Anteil liegt damit bei 11,8 Prozent. Etwa zwei Drittel davon erfüllen auch die im Vergleich zur EU-Öko-Verordnung noch einmal strengeren Standards von Bio-Verbänden wie Demeter oder Bioland.
Die Zahl der Höfe wiederum summiert sich auf knapp 37.000, das entspricht einer Quote von 14,4 Prozent. Mit Blick auf die Bundestagswahl fordert der Bauernverband in Sachen Bio mehr Realismus von einer neuen Regierung mit einer „strategischen Absatzförderung anstelle politischer Wachstumsvorgaben“.