Der Abgesang der Pop-Bands

Solostars verdrängen zunehmend Bands aus den deutschen Musikcharts. Das geht aus einer Analyse des Marktforschungsunternehmens DataPulse Research und des Berliner Online-Musikunterricht-Anbieters Skoove hervor, die WELT AM SONNTAG exklusiv vorliegt.

Demnach haben es in den vergangenen 30 Jahren immer weniger Musikbands in die Charts geschafft. Lag der Anteil der Musikgruppen in den Ranglisten 2010 noch bei etwa einem Drittel, geht es seitdem kontinuierlich bergab. 2024 waren nur noch sechs Prozent der Chart-Plätze von Bands belegt.

Dieser Niedergang geht einher mit dem Vorstoß der Electronic Dance Music (EDM), eines Genres, das von Solokünstlern dominiert wird. In der Analyse von 30 Jahren Chart-Geschichte zeigt sich außerdem, dass Kollaborationen von Solostars den Bands große Konkurrenz machen. Alben oder Songs, für die sich einzelne Künstler vorübergehend zusammenschließen, erleben eine Renaissance. Das Lied „Shallow“ der US-Sängerin Lady Gaga und des Schauspielers Bradley Cooper oder „If Only“ des italienischen Tenors Andrea Bocelli und der Popsängerin Dua Lipa sind populäre Beispiele.

Tatsächlich belegten entsprechende Produktionen im vergangenen Jahr 48 Prozent der Chart-Plätze. „Es ist vielleicht unvermeidlich, dass Kooperationen so populär geworden sind“, sagt Dominik Schirmer, selbst Musiker und Direktor bei Skoove.

„Sie bringen die doppelte Star-Power von Solokünstlern mit und ermöglichen es jedem Künstler, sein eigenes Publikum und das seines Kooperationspartners zu begeistern.“ So erhöhe sich der Bekanntheitsgrad – und gleichzeitig die Chance, in den Charts zu landen.

Der Studie zufolge ist es jedoch auch für Labels einfacher und billiger, Solokünstler zu managen. Streamingdienste wie Spotify rückten sie zudem stark in den Mittelpunkt und nähmen sie bevorzugt in spezielle Wiedergabelisten auf.

„Es ist kein Zufall, dass keine einzige Band in den Top 10 der meistgestreamten Songs oder den Top 10 der weltweit meistgespielten Künstler von 2024 zu finden ist“, heißt es.

Auch seien einzelne Künstler erfolgreicher auf Plattformen wie TikTok und Instagram unterwegs. „Soziale Medien haben die Art und Weise, wie Solokünstler ihren Durchbruch schaffen, entscheidend verändert“, sagt Schirmer. Sie seien nicht mehr darauf angewiesen, von einem Musikmanager entdeckt zu werden. Auch Bands müssten neue Wege finden, um mit Fans zu interagieren, ihre Arbeit zu bewerben und sich an die veränderte Musiklandschaft anzupassen.

Thomas Heuzeroth ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Verbraucher- und Technologiethemen, Unterhaltungselektronik und Telekommunikation.