„Den Bach rauf“ – Habeck veröffentlicht neues Buch mitten im Wahlkampf

Eigentlich müsste Robert Habeck in den vergangenen Monaten gut beschäftigt gewesen sein. Erst hielt den grünen Minister die Energiekrise durch die weggefallenen russischen Gaslieferungen auf Trab, dann musste er sich um den Absturz der deutschen Wirtschaft kümmern und sich dabei immer auch noch mit seinen Ampel-Koalitionspartnern streiten.

Das bedeutet nicht nur viele Nachtsitzungen und Akten, die gelesen werden mussten. Auch Habeck verfasste bis zuletzt immer wieder Papiere, zuletzt den 14-seitigen „Impuls für eine Modernisierungsagenda“, mit dem er sich im finalen Kampf der Ampelparteien positionierte.

Doch der Minister fand trotz aller Aufgaben auch noch Zeit, andere Texte zu schreiben. Der designierte Kanzlerkandidat der Grünen wird in den kommenden Monaten gleich zwei Bücher veröffentlichen. Das Erste trägt den etwas verkopften Titel „Den Bach rauf“ (ja, genau: nicht den Bach runter). Es soll bislang am 16. Januar 2025 im Verlag Kiepenheuer & Witsch erscheinen, also wenige Wochen vor der geplanten Neuwahl am 23. Februar.

Ein Sprecher der Grünen teilte mit, dass der Termin im Januar schon vor Bekanntwerden der Neuwahl im Frühjahr geplant gewesen sei. Derzeit werde wegen des früheren Wahltermins geprüft, ob man die Veröffentlichung noch vorziehe, sagte eine Sprecherin des Verlages WELT.

Laut der Verlagswebseite hat das neue Werk gleich zwei Untertitel: „Eine Kursbestimmung“ und „Den Mut wiederfinden“. Robert Habeck wolle „mit seiner Schrift Orientierung geben“, schreibt der Verlag.

„Die Zeiten sind sehr anspruchsvoll und fordern von vielen viel. Die Nachrichten oft schlecht, die Aussichten nicht besser“, heißt es in der Ankündigung. „Aber müssen wir in der Sorge und Trübsinn verharren? Was gibt Anlass zu Hoffnung, Zuversicht? Und warum sprechen wir nicht über Perspektiven?“

Habecks politische Vision in Buchform

Habeck analysiere in dem Buch „wie wirtschaftliche Prosperität die Voraussetzung von Freiheit ist, wie wir die soziale Marktwirtschaft erneuern und wie wir die Fundamente der Gesellschaft stärken, was das Land stark gemacht hat und was wir wieder brauchen, um die Mutlosigkeit zu überwinden, die Gesellschaft zu versöhnen und wieder nach vorn zu schauen“, heißt es. „Wir können den Bach raufgehen – dieses Buch zeigt den Weg.“

Dieser Weg ist immerhin 128 Seiten lang. In welchem Rahmen das neue Buch vorgestellt wird und ob es eine Lesereise geben wird, werde „noch im Zusammenhang mit den Terminplanungen für die vorgezogene Neuwahl geklärt“, so der Grünen-Sprecher.

Dass Kandidaten vor wichtigen Wahlen Bücher veröffentlichen, ist nicht ungewöhnlich. Auch Habeck hat das schon getan. „Wer wagt, beginnt. Die Politik und ich“, erschien im Herbst 2016, ein gutes Jahr vor der Bundestagswahl. Im Herbst 2018 legte der heutige Minister mit „Wer wir sein könnten“ nach und zuletzt erschien 2022 „Von hier an anders“.

Nun also: „Den Bach rauf“. Dass Habeck seine politische Botschaft und Vision noch einmal in Buchform bringt, ist aber nicht nur wegen der vielen vorangegangenen Werke überraschend. Er hatte ja auch in den vergangenen drei Jahren Zeit, den Wählern seine politischen Ansichten als Wirtschaftsminister und Vizekanzler in der Praxis näherzubringen.

Vor der letzten Bundestagswahl hatte die damalige Spitzenkandidatin der Grünen, die heutige Außenministerin Annalena Baerbock, keine guten Erfahrungen mit ihrem Buch gemacht: „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“ wurde nach Plagiatsvorwürfen schlussendlich wieder vom Markt genommen und hat Baerbock in ihrem Wahlkampf massiv geschadet.

Dass es Habeck ähnlich ergeht, ist unwahrscheinlich. Im Gegensatz zu den meisten Politikern, die nur in Wahlkämpfen zu Hobby-Autoren werden, hat der Wirtschaftsminister früher sein Geld mit dem Schreiben von Büchern verdient.

Habeck legt alten Roman neu auf

Das ist auch der Grund, warum in den nächsten Monaten gleich noch ein zweites Buch von Habeck veröffentlicht wird. Er hat es zusammen mit seiner Frau Andrea Paluch geschrieben. „Die zweite Heimat der Störche“ ist weder ein politisches Werk noch ein Kinderbuch. Laut der Verlagsbeschreibung handelt es sich um „einen Roman über die Vergangenheit, die nicht vergeht“.

Habeck und seine Frau beschäftigen sich darin mit einer „Familiengeschichte voller Geheimnisse und Verrat. Ein Blick zurück in die deutsche Kolonialgeschichte. Und vier Frauenschicksale, die eng miteinander verwoben sind.“ Die Geschichte spielt zum Teil Anfang des 20. Jahrhunderts in der deutschen Kolonie Südwest-Afrika, dem heutigen Namibia.

In der Gegenwart muss die Protagonistin Cosima mit einer Erbschaft aus dieser Kolonialzeit umgehen. „Konfrontiert mit ihrer Herkunft und der Gewalt und Schuld aus einer anderen Zeit, stellt sich Cosima der Verantwortung ihrer Vorfahren und der Frage: Woran kann man sich in der Gegenwart festhalten, wenn nicht an der eigenen Vergangenheit?“, heißt es im Klappentext.

Einigen Habeck-Fans könnte die Geschichte allerdings verdächtig bekannt vorkommen. Das liegt daran, dass „Die zweite Heimat der Störche“ gar nicht wirklich neu ist. Die Geschichte war 2004 schon einmal als Buch veröffentlicht worden – allerdings unter einem anderen Titel und in einem anderen Verlag.

Damals hieß das Werk noch „Der Schrei der Hyänen“. Zwanzig Jahre später wird es nun neu aufgelegt – ein Selbst-Plagiat gewissermaßen.

Erscheinen soll „Die zweite Heimat der Störche“ bei Kiepenheuer & Witsch am 5. Juni 2025. Womöglich hat Robert Habeck dann schon wieder deutlich mehr Zeit, sich neuen Büchern zu widmen.

Philipp Vetter ist Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er berichtet über das Bundeswirtschaftsministerium, Wirtschaftspolitik, Energiepolitik, Verkehrspolitik, Mobilität und die Deutsche Bahn. Seinen exklusiven WELTplus-Newsletter können Sie hier abonnieren. Er ist seit 2021 Co-Host des WELT-Podcasts „Alles auf Aktien“.