Die neue Bremer -Folge
(RB-Redaktion: Lina Kokaly, Degeto-Redaktion: Birgit Titze) geht gut los. Keine
Rückblende, kein Vorgucker, um eine Spannung zu verbreiten, die man doch nicht
versteht – es fängt einfach an. Und zwar irreführend: Eine Frau räumt im
Seefahrerheim zusammen, ein Mann tritt von hinten unbemerkt auf sie zu, die
Musik (Jessica de Rooij, Hendrik Nölle) wird dunkler, aber das ist nur ein Gag.
Denn als die Frau den Mann entdeckt, schaut sie nicht in das Gesicht ihres
Mörders, sondern des sich Andy nennenden philippinischen Matrosen Jomel Malinao
(Jernih Agapito), den sie stets zum Fest der Liebe mit zur Feier ihrer Familie
nimmt.
Die Frau ist Fabienne „Fabi“ Wilkens (Pia
Barucki), im stolzen Haus wartet ihr angereister Bruder Marco (Robert Höller)
mit Frau Nahid (Rana Farahani) und den beiden Kindern. Gastgeber ist Kapitän
und Vater Hendrik Wilkens (Matthias Freihof) mit seinem Mann Bjarne (Rainer
Sellien), den er nach dem Tod der Mutter von Pia und Marco kennengelernt hat.
Diese Konstellation erzählt mit schöner
Gewöhnlichkeit – wie Fabi etwa „Freuen sich alle sehr auf dich“ zu
„Andy“ sagt, in einer Mischung aus Erklärung und Distanziertheit; das
trifft das Verhältnis von zwei Menschen, die sich nicht kennen, aber Zeit
zusammen verbringen werden, sehr gut. Auch Robert Höller versteht sich auf
diese Alltäglichkeit im Sprechen.
Mit der heilen Welt ist es nach dem – auch schön beiläufig
gemacht – leicht schiefen Karaoke-Singen aber vorbei. Am nächsten Morgen liegt
Hendrik Wilkens erschossen in seinem Arbeitszimmer. Und es setzt die Ermittlung
eines cluedohaften Falls ein, der ideal zu den Anforderungen des
ARD-Sonntagabendkrimis passt.
Während der im dominante
Whodunit-Standard letzte Woche in Hamburg das
systemische Verbrechen von Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche absurd
umbauen musste, damit Verdächtige und ein überraschender Täter dabei raussprangen,
geht es in Bremen darum, dunkle Geheimnisse in der Familie hinter scheinbar
intakter Fassade zu lüften (Drehbuch: Daniela Baumgärtl, Kim Zimmermann).
Getarnt werden sollte das Verbrechen als Teil einer Einbruchsserie, die sich in
der Gegend ereignet.
Der Film spielt die jeweilige Variante als vorgestellte
Rückblende vor dem geistigen Auge der Ermittlerinnen Liv Moormann (Jasna Fritzi
Bauer) und Linda Selb (Luise Wolfram) fürs Publikum durch. Wurde
Hendrik Wilkens tatsächlich von einem Einbrecher getötet? Oder von seinem Mann,
aus Eifersucht auf einen Nebenbuhler? Oder von „Andy“, der sich als
Bruder eines bei einem Verkehrsunfall getöteten philippinischen Seemanns
herausstellt? Oder doch von Fabi, die wie der Vater Kapitänin werden wollte,
sich dann aber anders entschieden hat?
Am Ende handelt es sich nicht um einen Mord, sondern um einen Unfall, der einen
Suizid verhindern sollte – Fabi wollte den Vater davon abbringen, sich das
Leben zu nehmen, und im Gerangel um die Waffe löst sich der fatale Schuss. Mit
etwas Abstand betrachtet: auch ironisch. Tochter und Vater teilen die Schuld am
Tod von Jomel Malinaos Bruder; Fabi hatte ihn überfahren, der Papa geholfen,
die Tat zu vertuschen.