Das Schuhgeschäft verschwindet aus Deutschlands Innenstädten

Dass Frauen von manchen Zeitgenossen ein Schuhtick unterstellt wird, kommt zumindest statistisch gesehen nicht von ungefähr. Durchschnittlich 17,3 Paar stehen im Schuhschrank jeder Bundesbürgerin und damit mehr als doppelt so viele wie bei den Männern, wie Daten des Schuhherstellers Sioux zeigen.

Kundinnen kaufen zudem im Durchschnitt sechs Paar neue Schuhe pro Jahr, bei den Männern sind es zwei. Trotzdem bleibt es unter dem Strich beim Besitzverhältnis von zwei zu eins – denn Frauen sortieren ihre Schuhe deutlich schneller und häufiger aus als Männer.

Derzeit allerdings kaufen weder Frauen noch Männer wie selbstverständlich Schuhe. Zum Halbjahr habe der Markt rund zwei Prozent im Minus gelegen, meldet der Handelsverband Textil Schuhe Lederwaren (BTE). Die Zuwächse in den vergangenen beiden Jahren auf zuletzt gut 9,6 Milliarden Euro erklären Experten mit Preiserhöhungen.

Das Vor-Corona-Niveau ist aber auch damit bisher nicht wieder erreicht. „Die Sorgen der Verbraucher sind deutlich zu spüren und belasten das Konsumklima“, erklärt der Bundesverband der Schuh- und Lederwarenindustrie. Eine BTE-Mitgliederumfrage hat ergeben, dass nur 16 Prozent der heimischen Schuhläden ihre aktuelle Geschäftslage als gut bewerten.

Kaum verwunderlich also, dass Anbieter und damit auch Innenstadt-Standorte verschwinden. In den vergangenen Monaten gab es zahlreiche Insolvenzen in der Branche, unter anderem von großen Ketten wie Reno und Görtz oder Salamander und Klauser

Die meisten Betriebe schließen ohne großes Aufsehen. BTE-Schätzungen zufolge haben allein im ersten Halbjahr 2024 rund 100 Schuhhandelsunternehmen hierzulande aufgegeben, die Zahl der Fachgeschäfte ist infolgedessen um etwa 800 gesunken.

Übrig sind jetzt nach Verbandsangaben noch 2600 Anbieter mit zusammen 8750 stationären Filialen. „Es gibt mittlerweile zunehmend Standorte und Städte, wo gar kein Schuhgeschäft mehr existiert“, sagt BTE-Geschäftsführer Axel Augustin.

400.000 Pakete am Tag aus China – auch mit Schuhen

Diese Entwicklung dürfte sich fortsetzen. „Die Konzentration ist noch nicht am Ende“, ist Augustin überzeugt. „Wir rechnen mit einem weiteren Rückgang von Unternehmen und Geschäften.“ Gründe hierfür seien die anhaltende Kaufzurückhaltung, der Attraktivitätsverlust der Innenstädte sowie gestiegene Kosten für Personal, Energie, Mieten und Bürokratie.

Eine „große und beängstigende Rolle“, so Augustin, spielten aber auch die chinesischen Online-Plattformen wie Temu und Shein. Sie liefern Schätzungen zufolge rund 400.000 Pakete pro Tag nach Deutschland – gefüllt auch mit Schuhen.

Während das sogenannte Consumer Panel der GfK-Marktforscher, das die Einkäufe der Verbraucher erfasst, die Zahl der in Deutschland erworbenen Bekleidungsstücke 2023 als konstant zum Vorjahr auswies, hat sich laut einer BTE-Analyse der Außenhandelsstatistik das Inlandsangebot an Schuhen – also die Summe aus Importen abzüglich der Exporte – deutlich reduziert: von 413 Millionen Paar 2022 auf nur noch 266 Millionen 2023.

„Theoretisch wäre diese Differenz über eine Auflösung vorher aufgebauter Lager oder Überproduktionen erklärbar“, heißt es vom Schuhhändlerverband. „In diesem Ausmaß scheint das aber unrealistisch.“ Wahrscheinlicher sei eine hohe Zahl an Direktimporten der Verbraucher über die Portale aus Asien.

Laut dem Verbrauchermagazin „Ökotest“ sind diese jedoch häufig gesundheitsgefährdend. Es hat bei den Versendern jüngst Kleidung und Schuhe bestellt und diese von Laboren prüfen lassen. Dabei wurden viele Schadstoffe gefunden, die oft weit über den EU-Grenzwerten lagen. Das Gros der bestellten Waren wurde daher mit „mangelhaft“ und „ungenügend“ bewertet.

Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie über Recycling und Mittelstandsunternehmen.