Der Morgen danach: Für die FDP ist die Wahl gründlich in die Hose gegangen. 4,3 Prozent, raus aus dem Bundestag. Parteichef Christian Lindner (46), als Ampel-Minister und FDP-Boss, gescheitert, wirft hin. Einer anderer wirft seinen Hut in den Ring: Parteigrande und FDP-Lautsprecher Wolfgang Kubicki (72) – Noch-Bundestagsvizepräsident – will Partei-Chef werden.

Die FDP-Spitze kam in Berlin zur Krisenrunde zusammen – Scherbengericht und Kater-Runde! Am Rande traf BILD Kubicki zum Interview.

Und darin macht er klar, wen er für die Wahl-Pleite der Liberalen mitverantwortlich macht: namhafte Bundestagsabgeordnete, die bei der Abstimmung zum Zustrombegrenzungsgesetz der Union von der Stange gegangen waren – drei Wochen vor der Wahl, mitten im Wahlkampf.

Kubicki: „In einem Wahlkampf, wo es wirklich um viel geht, nach außen das Bild zu vermitteln, die Partei sei nicht geschlossen, ist das Schlimmste, was man tun kann. Das ist einer der zentralen Fehler gewesen in der Wahlkampfführung.“ Er fordert: „Das muss aufgearbeitet werden.“

Kubickis Ankündigung, sich um den Parteivorsitz zu bewerben: Eine Kampfansage an den linken Flügel der FDP um Agnes-Marie Streck-Zimmermann (66) sowie Abstimmungs-Schwänzer wie Innenexperte Konstantin Kuhle und Parteivize Johannes Vogel (42).

Lesen Sie das BILD-Interview mit Wolfgang Kubicki:

Herr Kubicki 4,3 Prozent eine Katastrophe für die FDP. Sie sind seit 54 Jahren dabei. Wie geht es Ihnen am Tag danach?

Wolfgang Kubicki: Na ja, ich muss meinen Kater noch ein bisschen pflegen. Ich habe bis heute Morgen das Ergebnis begossen, im wahrsten Wortsinn. Es geht mir heute nicht gut. Aber es ist keine Lösung, aufzugeben.

„Habe heute Nacht mehrere Hundert WhatsApp-Nachrichten bekommen“

Frau Strack-Zimmermann hat ihren Hut in den Ring geworfen für die Nachfolge von Christian Lindner, der als Parteichef zurücktreten will. Jetzt haben Sie Ihren Hut hinterhergeworfen. Warum?

Kubicki: Ich habe heute Nacht noch mehrere Hundert WhatsApp-Nachrichten, SMS und Mails bekommen von Leuten aus der Partei, aber auch von Unterstützern, die händeringend darum gebeten haben, jetzt nicht aufzuhören, sondern die Partei mit der Führung zu beglücken. Denn was wir jetzt brauchen, ist eine neue Motivation für die Mitglieder und für unsere Unterstützer und vor allen Dingen eine geschlossene Partei. Und das wird sich auf dem Bundesparteitag dann im Mai herausstellen, ob das möglich ist. Wir diskutieren heute im Präsidium und Bundesvorstand die Lage. Ich erwäge das noch. Noch ist das nicht entschieden.

Aber ganz ehrlich: Bei der wievielten Flasche Wein ist die Entscheidung gefallen, doch noch mal in den Ring zu treten?

Kubicki: Die Entscheidung ist noch nicht gefallen, aber die Überlegung ist heute Morgen massiv gereift. Und zwar nicht nur wegen des Weines, sondern noch einmal, weil mich so viele Menschen, die ich persönlich sehr schätze, gebeten haben: ‚Die FDP muss weiterleben und sie muss auch wiederkommen. Und dafür brauche ich Persönlichkeiten wie dich, die Menschen überzeugen können, die Motivation auch geben können in die Partei hinein.‘ Denn die vielen Unterstützer, die wir haben, die vielen Wahlhelfer und Wahlhelfer, brauchen auch eine Perspektive und daran werden wir jetzt arbeiten.

Ihre Partei war vorher schon nicht sonderlich groß – und nicht geschlossen, wenn wir auf das Abstimmungsverhalten schauen beim Zustrombegrenzungsgesetz der CDU: Da war Ihre Fraktion alles andere als geeint. War das einer der zentralen Fehler, dass die FDP solche Themen wie Migration nicht geklärt hatte?

Kubicki: Sie waren ja inhaltlich geklärt. Die Entscheidung derjenigen, die nicht an der Abstimmung teilgenommen haben, basierte darauf, dass sie nicht gemeinsam mit der AfD stimmen wollten. Ich muss das respektieren. Aber in der Tat: In einem Wahlkampf, wo es wirklich um viel geht, nach außen das Bild zu vermitteln, die Partei sei nicht geschlossen, ist das Schlimmste, was man tun kann. Das ist einer der zentralen Fehler gewesen in der Wahlkampfführung. Überall, wo ich unterwegs war, bin ich genau darauf angesprochen worden, wie jetzt von ihnen auch. Und das muss aufgearbeitet werden.

Warum nicht Frau Strack-Zimmermann? Warum Wolfgang Kubicki?

Kubicki: Wir sind eine Partei des Wettbewerbs. Ich weiß jetzt nicht, ob Frau Strack-Zimmermann überhaupt kandidiert. Ich habe nur vernommen, dass sie bereit wäre dazu. Ich weiß auch nicht, ob ich kandidiere. Ich bin aber auch bereit dazu. Wir werden das sehen. Und das ist dann im Zweifel auch eine Richtungsentscheidung, denn Frau Zimmermann polarisiert wie ich auch auf andere Art und Weise. Und dann wird die Partei sich finden müssen. Ich bin sicher, es wird ein guter Parteitag und wir werden das auch in Harmonie über die Bühne bringen.

Und dann? Wann kommt die FDP zurück?

Kubicki: Zunächst einmal ist das ja keine einmalige Erfahrung für mich gewesen, sondern ich bin seit 54 Jahren in der FDP. Wir waren häufiger auch in Landtagen drinnen und draußen. Das ist eine Durststrecke, aber sie ist zu überwinden. Noch einmal mit einer gehörigen Portion Motivation, mit einer lauten und wahrnehmbaren Stimme, auch im politischen Geschäft. Denn ich bin sicher, dass die jetzt vor uns liegende kleine Große Koalition die Probleme des Landes nicht wird lösen können. Und da wir nicht wollen, da ich nicht will, dass die AfD immer stärker wird, braucht es jetzt auch eine bürgerliche Antwort auf die Herausforderungen der nächsten Zeit.