Auf dem Länderrat der Grünen (kleiner Parteitag) war Ricarda Lang zwar nur als Gast. Doch die Partei ist und bleibt ihr politisches Zuhause – auch wenn sie nicht mehr deren Chefin ist.
Ob es um den freien Fall der Union unter CDU-Chef Friedrich Merz (69) geht, um die Umfragewerte für die AfD, die mit CDU/CSU plötzlich gleichauf ist, oder um das maue Bundestagsergebnis ihrer eigenen Leute: Lang spricht Klartext.
Sie lobte am Sonntag die Arbeit und das Verhandlungsgeschick der Fraktionschefinnen Katharina Dröge und Britta Haßelmann: „Wir haben in den letzten Wochen gezeigt, was in uns steckt“, so Lang bei „Phoenix“.
Die Grünen-Verhandlerinnen hätten bewiesen, dass sie in der Lage seien, „auf der einen Seite mit einem großen Selbstbewusstsein und vielleicht auch einer neuen Härte für Klimaschutz zu kämpfen (…) “, und auf der anderen Seite „Kompromisse zu schmieden, da wo es dem Land hilft“.
Diesen Weg könne man auch „in der Opposition gut beschreiten“, so Lang weiter: „Aus der Vergangenheit lernen, aber dann auch mit Unverdrossenheit nach vorn schauen.“
Härte in Verhandlungen hatte den Grünen während der Ampel-Koalition gefehlt, besonders dem geschäftsführenden Vizekanzler Robert Habeck (55) wird nachgesagt, zu nachgiebig zu sein und Partei-Positionen bei Gegenwind rasch aufzugeben.
Auf dem Parteitag wiederholte Habeck sinngemäß die fast schon trotzige Position, die er am Tag nach der Wahlklatsche für die Grünen eingenommen hatte („Das Angebot war top, die Nachfrage war nicht so dolle, wie wir uns das vorgestellt haben“).
Stattdessen verteidigte er seinen Wahlkampf: Es sei gut, dass seine Partei sich nun Zeit gebe für Selbstkritik. Und Habeck merkte gleich darauf an: „Andere hätten vermutlich mehr Grund, sich zu fragen, was in ihrem Wahlkampf schiefgelaufen ist.“
Kein Wahlkampf käme ohne Fehler aus. „Und auch wir, auch ich habe welche gemacht. Ich würde sagen, verglichen mit anderen Wahlkämpfen und mit anderen Kampagnen, die wir als Partei geführt haben, gar nicht so viele“, glaubt der Noch-Vizekanzler.
Klare Kante von den Grünen-Frauen
Andere waren deutlich weiter in der Fehleranalyse.
► „Vor allen Dingen waren wir zu nett aus meiner Sicht“, sagte Fraktionschefin Katharina Dröge (40) im Rückblick – beim Thema Klimaschutz sei ihre Partei stets in der Defensive gewesen. Von der Union verlangte Dröge, diese müsse in der Asylpolitik eine Haltelinie formulieren. Grenzschließungen seien nicht die Antwort.
► Noch-Außenministerin Annalena Baerbock (44) betonte, in ihrer Heimat Brandenburg habe sich der Diskurs nach rechts verschoben, durch die AfD, aber auch durch CDU und SPD. Sie werde dort gefragt, warum die Grünen all die Islamisten ins Land ließen. „Da kommen wir nicht weiter, wenn wir sagen, wir brauchen eine humanere Flüchtlingspolitik“, gab Baerbock ihrer Partei mit. Diese müsse auch sagen, wen sie abschieben wolle, „nämlich Schwerverbrecher und diejenigen, die unser Grundrecht mit Füßen treten“.
► Parteichefin Franziska Brantner (45) hielt Merz Wortbrüche vor, einen Flirt mit der AfD, Unwahrheiten bei der Schuldenbremse und Scheinlösungen bei der Migration. Sie warnte vor dem Aufstieg des Populismus. Demokratien könnten kippen, wenn keiner mehr für sie kämpfe.
Brantner versprach: „Ihr werdet uns kämpfen sehen, und wir werden gemeinsam kämpfen. Wir werden die guten Ideen einspeisen und dabei laut sein.“
In Ostdeutschland, wo sie bei Wahlen schlecht abschneiden, wollen die Grünen künftig mehr Präsenz zeigen. Ein Gremium aus Grünen aus den ostdeutschen Bundesländern soll den Vorstand regelmäßig beraten, ein „Ostkongress“ soll für mehr Vernetzung sorgen.