Das lange Warten auf das neue Sturmgewehr der Bundeswehr

Die Bundeswehr-Soldaten müssen sich noch länger gedulden, bis sie das neue Sturmgewehr G95 als Ersatz für das G36 in den Händen halten. Im soeben veröffentlichten Quartalsbericht des Waffenherstellers Heckler & Koch heißt es jetzt, dass die ersten Auslieferungen erst ab Ende 2025 erwartet werden.

Im vorangegangenen Bericht war noch von größeren Lieferungen ab nächstem Jahr die Rede. „Wir sind lieferbereit. Wenn es Verzögerungen gibt, liegt es nicht an uns“, sagt ein H&K-Sprecher auf Welt-Anfrage.

Nach wie vor liege die endgültige Bestellung durch das Verteidigungsministerium nicht vor. Das Unternehmen aus Oberndorf im Schwarzwald hatte 2023 erste Testwaffen geliefert, die intern die Modellbezeichnung HK 416 A8 tragen.

Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und der sogenannten Zeitenwende im Rüstungsmarkt hatte das Unternehmen die Hoffnung, dass die Bestellung vorgezogen wird – weil das Sturmgewehr HK416 im Markt bereits bekannt ist. Somit könnte die Erprobung verkürzt werden.

Deutschland wäre neben Norwegen, Spezialkräften der USA, Frankreich und Luxemburg die fünfte NATO-Streitkraft, welches das HK416 dann als Standardwaffe einführt. Doch die Bundeswehr-Prüfer nehmen das komplette Sturmgewehr im Detail unter die Lupe. In der Branche wird von Verzögerungen durch die Prüfung der Spezialvisieroptik berichtet – die nicht von H&K stammt.

Als der Haushaltsausschuss des Bundestages Ende 2022 für das „System Sturmgewehr Bundeswehr“ rund 209 Millionen Euro für 118.718 neue Gewehre billigte, teilte das Bundesverteidigungsministerium noch offiziell mit: „Die ersten Waffen werden der Truppe im Jahr 2024 zulaufen.“

Die Auswahlentscheidung für diese Waffe wurde bereits 2021 getroffen. Ein Patentstreit mit dem Konkurrenten C.G. Haenel führte zu ersten Verzögerungen.

Heckler & Koch hat in der Hoffnung auf eine rasche Serienproduktion des neuen G95 in größerem Stil Material eingekauft, was die Bilanz belastet. Außerdem lief 2023 das wichtige US-Zivilgeschäft nicht mehr so gut.

Für 2024 erwartet H&K zwar einen etwas höheren Umsatz (2023: 301 Millionen Euro), aber ein nochmals etwas niedrigeres operatives Ergebnis – bei deutlich mehr Aufträgen. Nach jetzt vorgelegten Halbjahreszahlen stieg der Umsatz im Vorjahresvergleich um 14 Prozent auf 171 Millionen Euro.

Das operative Ergebnis lag mit 29,5 Millionen Euro sieben Prozent niedriger. Die wichtigsten Kennzahlen lägen über Plan, teilte das Unternehmen mit.

Der Auftragseingang kletterte bis Jahresmitte um stolze 39 Prozent auf fast 200 Millionen Euro. Darin ist noch nicht ein soeben verkündeter Großauftrag für bis zu 500 neue Scharfschützengewehre G210 mit dem Kaliber 7,62 × 51 Millimeter für Spezialkräfte der Bundeswehr enthalten. Sie sollen ab 2025 ausgeliefert werden.

Branchenkenner verfolgen mit Spannung, ob die anstehenden US-Präsidentschaftswahlen dem deutschen Waffenhersteller Rückenwind geben. Die USA waren mit zuletzt 37 Prozent Umsatzanteil größter Einzelmarkt des Unternehmens, vor Deutschland mit 23 Prozent.

„Womöglich gibt es einen Kamala-Harris-Effekt mit vorgezogenen Waffenkäufen“, heißt es bei Marktkennern, weil sich die demokratische Präsidentschaftskandidatin als Befürworterin strengerer Waffengesetze positioniert hat. H&K hat den Schub beim Auftragseingang im ersten Halbjahr nicht näher erklärt.

Dies könnte auf der Wiederholung der Hauptversammlung am 1. Oktober erfolgen. Ein Aktionärstreffen Anfang Juli musste wegen eines Machtkampfs im Aktionärskreis zwischen dem Ex-Mehrheitsaktionär Andreas Heeschen und der Luxemburger Finanzholding CDE abgebrochen werden, so dass es die Neuauflage gibt.

Im Mittelpunkt steht die Frage, über welchen Aktienanteil Heeschen verfügt. Dazu wird eine Entscheidung vom Bundesgerichtshof erwartet.