Während Susanne Daubner an einem herrlichen Aprilabend zur begrüßt, geht es in einer Cocktailbar in Jena um Hunde und Otter. In der ARD verkündet Daubner, dass die Union keine afghanischen Ortskräfte mehr ausfliegen will – in der Jenaer Off Bar fragt ein Mann namens Johnny ein Publikum, wie es ähnlich auch in der Uni-Mensa anzutreffen wäre, nach dessen Lieblingstieren. Otter? „Otter sind mega!“, ruft Johnny. Hund? Was denn so einer an einem warmen Tag wie heute mache, fragt Johnny, dann zählt er bis drei: eins, zwei, drei, und alle machen mit – „hch, hch, hch“, hechelt der ganze Raum, so wie ein überhitzter Hund.
Der gemütliche Keller in Jenas Innenstadt ist an diesem Abend das Zentrum einer jungen Szene. Während die Welt in einer Polykrise aus Krieg, Klimaerwärmung und Rezession steckt, eröffnen in Ostdeutschland Comedyclubs. Gab es solche noch vor wenigen Jahren fast ausschließlich in Berlin, treten Comedians nun regelmäßig auch in Jena, Leipzig, Magdeburg und Halle auf.
Zufall? Oder erzeugt die lange Reihe an Hiobsbotschaften ein Bedürfnis nach dem Lustigen, Seichten, Unpolitischen?
Zwei Stunden vor der Show in der Off Bar sitzt Jana George, 42, Künstlername Janka Partisanka, auf einer Bank am Eichplatz. In ihrem Rücken bespielt ein Straßenmusiker die Jenaer Fußgängerzone, als sie sagt: „Ja. Doch. Nein. Also ja. Das spielt da hundertprozentig mit rein.“
Ohne die unscheinbare Frau mit den silberdurchwirkten Haaren hätte Jena wohl bis heute keine richtige Comedyszene. Dass sich das geändert hat, ist dem Kollektiv Provinz Comedy zu verdanken, das mit einem Aushang startete, den George zu Hause ausgedruckt und in der Stadt verteilt hatte: Hast du Lust auf Comedy? Dann komm zu unserem Stammtisch!
George ist promovierte Historikerin und hatte vor 2021 vier Jahre lang in Stawropol gelebt, zusammen mit ihrem russischen Mann und ihren Kindern. Anfangs habe sie sich russische Comedy im Internet angesehen, um mehr über die Sprache und Kultur zu lernen, erzählt sie. Dann habe es eines Tages eine offene Comedybühne in Stawropol gegeben. Und dort, auf einem kleinen Open Mic im Nordkaukasus, verwandelte sich Jana George zum ersten Mal in Janka Partisanka – die strenge Deutsche mit den herabhängenden Mundwinkeln. „Die Frage ist, ob ich mich das hier getraut hätte“, sagt sie heute. In Deutschland habe sie immer das Gefühl gehabt, nichts zu erzählen zu haben. In Russland war das anders. Da war sie die Ausländerin. Noch immer, sagt sie, funktionierten ihre Witze auf Russisch ein wenig besser als auf Deutsch.
Als Georges Stelle beim Deutschen Akademischen Austauschdienst auslief, zog sie mit der Familie 2021 zurück in ihre Heimatstadt Jena. Allein, ihre neue Rolle wollte sie deshalb nicht aufgeben. Doch um fortzubestehen, brauchte Janka Partisanka eine Bühne. „Es gab nichts“, sagt George. Also organisierte sie ein erstes Open Mic. Dort seien auf Anhieb eine Handvoll Leute aufgetreten, erzählt sie. Provinz Comedy war geboren.
An Kabarett und Poetry-Slam, sagt George, nerve sie der erhobene Zeigefinger. Den Anspruch, auf der richtigen Seite zu stehen, habe Stand-up-Comedy nicht. „Das präsentiert dir einfach Widersprüche und bringt dich damit zum Lachen. Dadurch ist es befreit von dieser fürchterlichen Moral.“ Stattdessen verschaffe das gemeinsame Lachen Erleichterung. „Philosophisch betrachtet heißt das: Ich erkenne an, wie scheiße es ist, aber ich bin nicht allein damit.“
Scheiße ist, um ein Beispiel von diesem Aprilabend zu nennen, Überraschung: die Deutsche Bahn. Lieber nehme er eine dreibeinige Ziege als den Regio nach Nürnberg, spottet der erste Comedian in Jena, Fred, und hüpft dann auf der Bühne herum, einen imaginären Penis in der Hand, um zu zeigen, warum auf Zugtoiletten immer „alles voller Pisse“ sei. Der Moderator Johnny bemerkt, dass auch er sich auf Zugtoiletten nie hinsetze, weil: „kein Bock auf Arschkrebs“.
Im Obergeschoss eines Doppeldecker-Intercitys nach Magdeburg öffnet Monif Mohamed die Augen. Seinen Blouson hat er als behelfsmäßiges Kissen zwischen Kopf und Zugfenster gesteckt, aber der Schlaf will nicht kommen. Am Abend zuvor hatte er noch eine Show, danach, sagt er, schlafe er nie besonders gut. Was bedeuten würde, dass er selten gut schläft; denn Mohamed ist ständig auf Comedyshows, wenn auch zumeist nicht mehr als Comedian, sondern als Veranstalter.
Im Stand-up-Bereich, sagt Mohamed, funktionierten Geschichten über eigenes Scheitern am besten. Anders sei es beim Kabarett, wo es eher um Fehler anderer gehe. Gemein sei den meisten Humorformen das Spiel mit Überraschungen: Der Verstand werde in die eine Richtung gelenkt, dann gehe es aber in eine völlig andere. „Darum ist es so lustig, wenn ein Kleinkind hinfällt“, sagt er. „Eigentlich erwartest du, dass es noch einen Schritt weitergeht – und dann fällt es plötzlich hin.“