Sie werden in Pärchen aus der paulinischen Kapelle treten. Vor sich die Zeremonienmeister, dahinter der Chor und dann: die Papstwähler, die Kardinäle in Purpurrot. Ihre Prozession wird sich durch die prächtige Sala Regia wälzen, den früheren Thronsaal der Päpste. Die Hellebardiere der Schweizergarde, Soldaten aufgereiht über die ganze Länge der Halle, werden ihre altertümlichen Waffen präsentieren. Der Chor wird den Heiligen Geist herabrufen und nicht nur ihn. In einer gesungenen Litanei erbeten die Kardinäle den Beistand aller Heiligen der Kirche, aller Engel und Erzengel – was man eben so hat im himmlischen Heer. Sie wissen, dass sie den Beistand brauchen, wissen es spätestens, wenn sie kurz vor der Stirnwand der Sala Regia scharf links abbiegen. In die Sixtinische Kapelle, wo sie in einem jahrhundertealten Prozess den nächsten Bischof von Rom wählen müssen, den Vicarius Christi, den Stellvertreter Jesu auf Erden. Den Papst. Das Konklave ist die perfekte Inszenierung des absoluten Geheimnisses – und seit Kurzem ein popkulturelles Phänomen.
In der Sixtina blicken die Eminenzen zunächst auf das große Fresko von Michelangelo hinter dem Altar, auf . Jeder der 134 Männer muss nun vortreten und Geheimhaltung schwören, mit der Hand auf der Bibel, sonst drohen ewige Strafen. („Ich verspreche, verpflichte mich und schwöre es“).
Dann ist es so weit: Der oberste Zeremonienmeister ruft („alle hinaus!“) – und die Tür der Sixtina schlägt zu. Selbst nicht religiöse Menschen, rationale Wesen von heute, können von diesen Bildern heftig beeindruckt werden. Denn das Konklave zwingt in die Ehrfurcht, öffnet eine transzendentale Dimension, sieht einfach gut aus und hat einen heiligen Schein, der einen erschaudern lässt. Es ist das erhabenste Ritual der Welt.
Zwanzig Millionen Minuten
Das Konklave ist das Gegenteil von Koalitionsverhandlungen. Niemand weiß, was in der Sixtina geschieht, und das macht das Konklave zu einem der letzten Großevents, zu dem es keine vagen gibt, nur absolute Verkündungen. Die Filmindustrie hat es trotzdem versucht, mit Erfolg: Fast zwanzig Millionen Minuten lang (die Zahl ist sogar schon einige Tage alt) wurde der Film (2024) mit Ralph Fiennes in der Rolle des Kardinal Lawrence bisher gestreamt. Als Franziskus gestorben war, astronomisierten sich die Zahlen.
Der Film ist einerseits ein gutes Kammerspiel, ein beklemmender Thriller über Macht und Charisma mit exzellenten Darstellern und etwas unglaubwürdigen Wendungen. Seine Stärke ist vor allem, dass er Außenstehende zu Eingeweihten macht. zieht den Zuschauer vor ein Schlüsselloch, durch das sie ins geheime Räderwerk der Geschichte, das sonst verborgen bleibt, blicken können. Er macht sie zu Voyeuren.
„Papst ist ein Job, den niemand machen will, der irgend bei Sinnen ist, aber gleichzeitig: Was für ein Amt!“, hat der britische Autor des Thrillers, Robert Harris, der dem Film zugrunde liegt, der ZEIT einmal in einem Interview gesagt. Er hat seine Infos über das Innere des Konklaves von einem anonymen Kardinal erhalten und gleich jeden Kinobesucher zum Komplizen des Geheimnisverrats gemacht. Der Kardinal ist durch diesen Verrat, da sind die Bestimmungen klar, der ewigen Verdammnis anheimgefallen. Es gibt viele wie ihn, die Forschung weiß eigentlich über die jüngsten Papstwahlen recht gut Bescheid. Am Ende wählen eben Menschen, auch wenn alles am Ritus „heilig, heilig, drei Mal heilig“ schreit.
Auch wenn sich, zumindest im Westen, viele Menschen von der katholischen Kirche abwenden, feiern sie ihre Rituale: Die Beerdigungsfeierlichkeiten für Johannes Paul II. sahen mehr als eine Milliarde Menschen. Das Requiem für Franziskus lieferte zuverlässig die gewaltigsten Bilder: bunte Prälaten, spätantik ausschauende Ostkirchenvertreter, die direkt aus Byzanz zu kommen schienen, Staatsmänner beim Friedensgruß. Aus dem Bildgedächtnis der Geschichte wird das Foto von Trump und Selenskyj in Sankt Peter niemals mehr zu löschen sein. Hatte der Höchste seine Hand im Spiel? Dass man sich so etwas überhaupt fragt, zeigt die ganze Verzauberungsfähigkeit des Großkatholizismus: Die Bilder bewegen zutiefst, mehr Pathos geht nicht. Man kann den Weihrauch schon am Fernseher riechen.
„Habemus papam!“
Der ganze Reigen aus Ritualen während der Sedisvakanz wird erst beendet sein, wenn der Kardinalprotodiakon, der Ranghöchste aus der Klasse der Kardinaldiakone, sein auf den Petersplatz schmettert.
Morgen geht es im t, im heiligen Theater, weiter mit der Papstwahl. Was geschieht da und warum geschieht es auf diese Art? Das Konklave erweckt den Anschein, es sei immer alles schon so gewesen, wie es sich jetzt vollzieht. Doch das ist eine Ewigkeitsfiktion. Erst seit dem 13. Jahrhundert, klerikal gesehen also in jüngerer Zeit, nimmt die Papstwahl jene Züge an, die wir heute kennen. Nicht zu allen Zeiten waren es Kardinäle, die ihren Chef wählten, schon gar nicht taten sie es immer in Rom und nicht immer waren sie in wenigen Tagen damit fertig. Manchmal wählten sie auch gar nicht. Die Papstwahl von Viterbo dauerte mehrere Jahre. Danach legte Gregor X. 1274 fest, dass die Herren zukünftig eingeschlossen () abstimmen sollten, dass ihnen währenddessen die Gehälter gekürzt und bei fortschreitender Dauer des Konklaves das Essen sukzessive entzogen werden sollte.
Wie es heute ist, das hat vor allem Papst Johannes Paul II. in der apostolischen Konstitution von 1996 festgelegt – bezugnehmend auf jahrhundertealte Traditionen. Manche dort beschriebenen Details des Konklaves altertümeln Zum Wohl der Kardinäle wurde vor allem betont, dass die Kardinäle in einem eigens dafür hergerichteten Gästehaus untergebracht werden. Noch während der (es gab zwei) Wahlen des Jahres 1978 schliefen sie auf 80 Zentimeter breiten Betten in einer Art Schlafsaal im Apostolischen Palast.