Das 23-Kilogramm-Problem der Paketdienste

Kurz vor Weihnachten hat es ein Thema aus der Welt der Paketdienste doch noch auf die politische Bühne gebracht, über das seit Jahren gestritten wird. Es geht um besonders schwere Pakete und deren Zustellung. Grundsätzlich dürfen Paketsendungen im Inlandsversand bis zu 31,5 Kilogramm wiegen. Damit die Paketdienste die Schwergewichte darunter überhaupt zum Kunden bewegen können, ist bislang lediglich die Ausstattung des Fahrers mit technischen Hilfsmitteln vorgeschrieben.

Damit soll nun Schluss sein. Die Bundesregierung will eine neue Gewichtsgrenze von 23 Kilogramm in das Postgesetz schreiben lassen, ab der zwei Paketboten für den Transport bis zum Empfänger verpflichtend vorgesehen sind. Über diese Gesetzesänderung hat nun der Bundestag beraten. Zunächst geht es darum, ob es noch eine Anhörung der betroffenen Verbände geben wird. Weitere Lesungen, die vor einer Bundestagsabstimmung notwendig sind, könnten im Januar folgen.

Die Relevanz des Themas für die Unternehmen und ihre Beschäftigten wie auch für die Kunden ist groß – selbst wenn es ungewiss ist, ob die aktuelle Bundesregierung das Gesetz noch vor der Bundestagswahl durch das Parlament bekommt. Weithin unstrittig ist, dass die Paketfahrer bei ihrer körperlich anstrengenden Arbeit und dem teilweise hohen Gewicht einzelner Sendungen entlastet werden sollten.

Privat- und Geschäftskunden der Paketdienste sind unterschiedlich betroffen. Zwar ist der Anteil besonders schwerer Sendungen generell im Paketversand mit fünf Prozent gar nicht einmal so groß. Und dazu, wie viele Pakete mehr als 23 Kilogramm wiegen, gibt es noch keine Angaben. Bei privaten Paketempfängern können Gartenmöbel, Sportgeräte wie Hanteln, Tierfutter oder auch Wein-Kartons dieses Gewicht erreichen. Selbst „weiße Ware“, also größere Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen, wird teilweise als Paketsendung zugestellt.

Sollte es – früher oder später – tatsächlich zu einer derartigen Gesetzesänderung kommen, müssten diese Paketsendungen von zwei Mitarbeitern des Paketdienstes an die Haustür gebracht werden. Denkbar ist aber auch, dass die Waren, wenn möglich, von den Versendern auf mehrere Lieferungen aufgeteilt werden.

Der Marktführer im Paketversand, der Post-Konzern mit dem Zustelldienst DHL, hält diese Änderung für sinnvoll, mahnt aber zu Kontrollen. „Wir begrüßen eine Absenkung der Gewichtsgrenze für Pakete in der Ein-Personen-Zustellung auf 23 Kilogramm, weil die Arbeit dadurch erleichtert werden würde“, sagt ein Sprecher. Allerdings sollte die Einhaltung des Gesetzes durch alle Marktteilnehmer engmaschig von den Aufsichtsbehörden überwacht werden.

Gesetz würde die Lohnkosten erhöhen

Die Konkurrenten der Post wie Hermes, DPD, GLS oder UPS sind im Bundesverband Paket- und Expresslogistik (BPEX) organisiert. Der Verband sieht das Thema kritisch. „Eine Pflicht zur Zwei-Personen-Zustellung ab 23 Kilogramm würde zu Kostensteigerungen führen sowie die Effizienz und Geschwindigkeit der Paketlogistik beeinträchtigen“, heißt es dort.

Viel stärker betroffen ist jedoch ein anderer Bereich, nämlich mittelständische Kurierdienste. Sie sind mit rund 7000 Betrieben der größte Teil der Branche. Dort arbeiten oftmals nur einige wenige Beschäftigte, die zumeist Geschäftskunden mit Paketsendungen beliefern: etwa mit Ersatzteilen oder Reifen für Autowerkstätten, Maschinenbauteilen für Metallbetriebe oder Flüssigkeiten für Industriebetriebe. Darunter befinden sich auch schwere Sendungen.

Nach Aussage ihres Lobbyverbands, des Bundesverbands der Kurier-Express-Post-Dienste, wären diese Firmen kaum dazu in der Lage, mit zwei Fahrern Paketsendungen zuzustellen. „Solch ein Gesetz würde viele Einzelunternehmer und Kleinstunternehmer treffen, bei denen die Fahrer grundsätzlich allein unterwegs sind“, sagt Verbandsvorsitzender Andreas Schumann. Im Arbeitsalltag und Umgang mit schweren Paketen würden sie über Hilfsmittel wie Sackkarren verfügen oder vor Ort Hubwagen des Kunden nutzen.

Verband fordert Regeln für Ausnahmen

Dies wäre in Zukunft jedoch bei Sendungen jenseits von 23 Kilogramm nicht mehr möglich. „Die betroffenen Kurierdienste könnten einen zusätzlichen Fahrer in ihren Kosten gar nicht abbilden und verkraften“, sagt Schumann. Das Gesetz würde den aktuell bereits großen Druck auf die Kurierdienste, ihr Geschäft aufzugeben, noch erhöhen. Der Verband fordert Änderungen an der Gesetzesvorlage, in denen Ausnahmen zugelassen und definiert werden.

Dass schwere Paketsendungen keine Seltenheit im Alltag der Kurierdienste sind, bestätigt Logistikunternehmer Andreas Weinhut aus Neutraubling bei Regensburg. Seine Befürchtung zu dem neuen Gesetz lautet: „Konsequenz dieses Gesetzes wäre, dass sich unser Geschäft massiv verändern würde. Ein Teil des Geschäftsvolumens würde dann hin zu den Speditionen abwandern.“ Für diese Transporteure von sogenanntem Stückgut gibt es keine Gewichtsgrenze.

In der Politik gehen die Einschätzungen auseinander. „Die 23-Kilo-Grenze wäre gerade vor Weihnachten ein starkes Signal aus der Mitte des Bundestags an die Beschäftigten der Branche“, sagt Frank Bsirske, Sprecher für Arbeit und Soziales der grünen Bundestagsfraktion. Der frühere Gewerkschaftschef kritisiert die Politik der CDU in dem Punkt. „Statt unrealistische Forderungen nach einer Reform des modernisierten Postgesetzes zu stellen, sollte die CDU gemeinsam mit uns die 23-Kilo-Grenze umsetzen und Paketboten sofort spürbar entlasten“, sagt Bsirske.

Die Bundesregierung bräuchte bei einer Abstimmung im Bundestag wohl auch Stimmen aus der CDU. Die Partei hat zwar selbst einmal exakt die Gewichtsgrenze von 23 Kilogramm als Pflicht vorgeschlagen, will nun aber nach der Bundestagswahl in einer möglichen Regierungsverantwortung generelle Änderungen am Postgesetz vornehmen.

Birger Nicolai ist Wirtschaftskorrespondent in Hamburg. Er berichtet über Schifffahrt, Logistik, den Tankstellen- und Kaffeemarkt sowie Mittelstandsunternehmen.