Die Grünen wollten den Kanzler stellen – und sind gescheitert! Jetzt heißt es für die Partei wieder: Opposition statt Regierung.
BILD fragte Grünen-Chefin Franziska Brantner: Wie tief sitzt der Frust?
Franziska Brantner: „Wir hatten uns natürlich ein besseres Ergebnis erhofft. Aber in der Demokratie ist es so, deswegen nehmen wir diese Rolle an.“
BILD: Nach der Wahl kündigte CDU-Chef Merz plötzlich ein XXL-Schuldenpaket an, für das er die Grünen-Zustimmung brauchte. Sind Sie sogar doch heimlich an der Macht? Und hat Sie das überrascht?
Brantner: „Für mich ist die Frage: Wusste Herr Merz vorher nicht, wie die Realität ausschaut? Oder hat er’s gewusst und es einfach vorher nicht getan, weil er noch Wählerstimmen und den Wahlkampf gewinnen wollte und dem das Land nicht so wichtig war? Beides sind irritierende Annahmen.“
„Wir haben hart verhandelt und wir werden hart hinschauen“
BILD: Schauen Sie jetzt Friedrich Merz und Lars Klingbeil ganz genau auf die Finger, was die mit dem Geld machen?
Brantner: „Das ist unsere Aufgabe. Wir haben hart verhandelt und wir werden hart hinschauen.“
BILD: Stört es Sie als erklärte Partei für Nachhaltigkeit nicht, dass es für die XXL-Schulden bisher keinen Tilgungsplan gibt?
Brantner: „Wir haben immer wieder gesagt, es braucht einen Tilgungsplan. Und es braucht auch eine Gerechtigkeit darüber, wie er zurückzuzahlen ist. Wenn wir uns so sehr verschulden und gleichzeitig einen Teil der Gesellschaft – diejenigen, die am meisten stemmen können – stark (durch das Schuldenpaket, d. Red.) entlasten, geht das nicht zusammen. Deswegen ist das für uns eine klare Frage: Es müssen alle ihren fairen Beitrag dazu leisten.“
BILD: Annalena Baerbock bekommt plötzlich einen UN-Posten in New York. Ein Teil des XXL-Schuldendeals mit Merz?
Brantner: „Natürlich werden solche Entscheidungen auch abgestimmt. Aber nein.“
„SPD und CDU/CSU sind jetzt schon schlechter gelaunt als die Ampel es in ihren schlimmsten Zeiten war“
BILD: In den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD gibt es viel Streit. Stehen die Grünen als Partner für eine Minderheitsregierung bereit, wenn Schwarz-Rot nicht klappt?
Brantner: „Es beunruhigt mich wirklich zu sehen, dass SPD und CDU/CSU jetzt schon schlechter gelaunt sind als es die Ampel in ihren schlimmsten Zeiten war. Jetzt ist die Verantwortung bei Friedrich Merz und Herrn Klingbeil und das sollte jetzt die Verantwortung sein. Mein Appell: Machen Sie jetzt was draus. Es ist eine einmalige Chance. Und jetzt haben Sie ja auch die nötigen finanziellen Mittel, um zu regieren.“
„Merz hat jetzt die Aufgabe zu zeigen, dass er Vertrauen auch wert ist“
BILD: Wie stehen Sie eigentlich inzwischen zu Friedrich Merz? Kann er Kanzler?
Brantner: „Ich finde, Friedrich Merz hat jetzt die Aufgabe zu zeigen, dass er Vertrauen auch wert ist. Und ich finde, er hat auch eine große Aufgabe nach innen, nach Deutschland, das Land auch wieder zusammenzuführen und in Europa jetzt wieder Deutschland ins Spiel zu bringen, hier ein relevanter Akteur für Europa zu sein. Da könnte Friedrich Merz jetzt wirklich ein Momentum nutzen und den nächsten Schritt der europäischen Integration tun, hin zu einer Verteidigungsunion. Das wäre etwas, was groß ist jetzt, was auch nötig wäre. Mal schauen, ob er das angeht.“
BILD: Die AfD beansprucht erneut auch einen Bundestags-Vizepräsidenten-Posten. Ist es nach bald zehn Jahren Zugehörigkeit zum Bundestag Zeit, dass die AfD den auch bekommen sollte?
Brantner: „Am Ende ist das die freie Entscheidung jedes einzelnen gewählten Abgeordneten. Die Fraktionen haben ein Vorschlagsrecht. Gewählt werden muss jeder individuell.“
BILD: Ein Thema, das die Bürger extrem umtreibt und mutmaßlich auch viele dazu gebracht hat, die AfD zu wählen, ist das Thema illegale Migration. Sie haben bei dem Thema offenbar immer so etwas wie eine Bremse unter dem Fuß, auf die Sie treten. Inwieweit wird sich die Partei unter Ihrer Führung einem anderen Kurs zuwenden?
Brantner: „Es ist für uns als Grüne immer klar, dass Humanität und Ordnung in Einklang zu bringen sind. Und wir leben als Deutschland davon, dass wir sehr, sehr viele Menschen bei uns haben, die jeden Tag anpacken, die hier arbeiten.“
BILD: Sie werfen alles in einen Topf, aber wir reden über die illegale Migration.
Brantner: „Ich spreche zuerst darüber, was dieses Land ausmacht. Und dieses Land macht aus, dass wir ein Land sind, in dem Menschen willkommen sind, die bei uns entweder Zuflucht suchen oder bei uns anpacken, unser Land mit voranbringen. Und das ist mir wichtig, dass es dabei bleibt. Dazu gehört aber auch – und das ist dann der Aspekt der Ordnung – dass wir natürlich das Recht, was gilt, auch durchsetzen. Das ist häufig Ländersache. Da schlägt übrigens der Bericht von Herrn Steinmeier vor, dass die Abschiebung nicht mehr Ländersache sein soll, sondern der Bund viel mehr Verantwortung übernimmt. Und natürlich ist die Aufgabe, dass wir es europäisch gemeinsam angehen, dass jene, die hier Straftaten begehen, die sich nicht an unser Grundgesetz halten, dass sie auch wieder zu gehen haben.“