Zum Auftakt des Kulturhauptstadtjahres in Chemnitz hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Verdienste der Stadt gewürdigt. Sie habe „Herausforderungen gemeistert“ und „Umbrüche erlebt“,
sagte er laut vorab verbreitetem Redetext. „Allein die zweifache
Umbenennung – 37 Jahre lang Karl-Marx-Stadt, dann wieder Chemnitz – steht sinnbildlich für die Erschütterung von Gewissheiten, für Brüche
und Neuanfänge.“
Chemnitz
habe aber auch „bittere Erfahrungen mit Extremismus“ gemacht, sagte
Steinmeier vor allem mit Blick auf rechtsextreme Ausschreitungen im Jahr
2018. Nun solle von Chemnitz „ein
unübersehbares Signal“ für ein „positives Miteinander“ ausgehen. „Ein
Signal, das wir in Deutschland und in Europa so dringend brauchen“,
sagte Steinmeier. Das Kulturhauptstadtjahr wurde mit einem großen Straßenfest samt Bühnenprogramm und einem Festakt in der Oper mit 700
Gästen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft eröffnet.
Mehrere Demonstrationen und eine Bombendrohung
Gegen die Veranstaltung hatte die
rechtsextremistische Partei Freie Sachsen eine Demonstration
angekündigt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund rief
zum Gegenprotest und einer Kundgebung gegen Rechtsextremismus auf. Polizeisprecher
Andrzej Rydzik bezifferte die Teilnehmerzahl zunächst auf „mehrere
Hundert auf beiden Seiten“. Genauere Zahlen könnten erst später genannt
werden. Die Polizei sicherte die Veranstaltung nach eigenen Angaben mit mehr als 1.000 Einsatzkräften ab. Die Demonstrationen verliefen laut der Polizei bis zum späten Nachmittag friedlich.
Am Vormittag ging
den Angaben zufolge eine Bombendrohung gegen die Stadthalle ein, in der
ein Begleitprogramm stattfindet. Die Stadthalle sei durchsucht, dabei
aber „nichts Besorgniserregendes gefunden“ worden. Das Programm sei
nicht beeinträchtigt worden. Laut dem Polizeisprecher wurde der
Anschluss des Anrufers ermittelt. Sollte sich der Verdacht bestätigen,
werde die Kriminalpolizei ermitteln.
Unter dem Motto „C the
Unseen“ (Sieh das Unsichtbare) präsentieren Chemnitz und zahlreiche
Kommunen im Umland als Europäische Kulturhauptstadt 150 Projekte und
mehr als 1.000 Veranstaltungen. Am
Abend war eine große Eröffnungsshow am Karl-Marx-Monument geplant, bei
der renommierte Künstler wie Bosse und Fritz Kalkbrenner auftreten
sollen. Die Stadt erwartete zehntausende Besucherinnen und Besucher.
„Chemnitz
war lange eine Stadt im Schatten, ein Ort, den viele nicht kannten,
absichtlich ignorierten oder bewusst mieden“, sagte Oberbürgermeister
Sven Schulze (SPD). „Eine Stadt mit unübersehbaren Brüchen und Narben,
aber ebenso eine Stadt, die sich immer wieder neu gefunden und erfunden
und aus sich selbst heraus weiterentwickelt hat.“
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) sagte, für Chemnitz
biete sich „die Chance, europaweit bekannt zu werden und auch
längerfristig Strukturen zu schaffen, von denen die ganze Region
dauerhaft profitieren kann“.