Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hält nichts von der Ankündigung Donald Trumps, den Ukrainekrieg im Falle seiner erneuten Wahl zum US-Präsidenten innerhalb von 24 Stunden zu beenden. Auf die Frage, ob die Wahrscheinlichkeit bestehe, dass Trump über die Interessen der Ukraine und Europas hinweg einen Deal mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin machen könnte, sagte Pistorius bei einer Veranstaltung der in Berlin: „Ja, die Gefahr besteht, und ich hoffe, sie realisiert sich nicht.“
Weiter sagte Pistorius, allen inklusive der künftigen US-Regierung müsse klar sein, „dass eine Ukraine, die gewissermaßen entkernt wird durch Verlust von knapp 20 Prozent ihres Territoriums, was jetzt besetzt ist, durch eine Verweigerung der Aufnahme in die Nato ein ständiger Herd für neue Konflikte in Europa sein wird“. Es sei nicht davon auszugehen, dass sich Putin gegenüber Trump „vertragszuverlässiger zeigt oder verhält als gegenüber jemand anderem vorher“, fügte der Minister hinzu.
Der Republikaner und frühere US-Präsident Trump hat die Wahl am 5. November erneut gewonnen und ist damit designierter Nachfolger des demokratischen Amtsinhabers Joe Biden. Seine Pläne für eine rasche Beendigung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hatte er im Wahlkampf verkündet. Trumps Amtseinführung ist für den 20. Januar 2025 angesetzt. Medienberichten zufolge hat er nach seinem Wahlsieg vor knapp einer Woche bereits mit Putin telefoniert.
„Die zwei Prozent werden nicht reichen“
Pistorius sagte, Trumps Wahlsieg sei „keine so riesengroße Überraschung“ gewesen. Die Europäer konfrontiere der Republikaner mit „sehr, sehr unbequemen Fragen, mit denen sich viele in unserem Land nicht gerne beschäftigen wollen – so lange haben wir einfach nur an unsere Sicherheit geglaubt, anstatt in sie zu investieren“. Das Verhältnis Deutschlands und der USA war während Trumps erster Amtszeit von 2017 bis 2021 unter anderem von der Forderung des US-Präsidenten geprägt gewesen, Deutschland und Europa müssten ihre Verteidigungsausgaben deutlich erhöhen.
Dass Putin bereits kurz nach Trumps Amtseinführung einen Angriff auf Nato-Gebiet unternehmen könnte, glaubt Pistorius nicht. Putin habe zurzeit „noch andere Sorgen“ und wisse wie alle anderen nicht, wie Trump letztlich wirklich reagieren und als Präsident agieren werde, sagte er. Dies sei „im Augenblick noch viel Kaffeesatzleserei“, biete aber auch viel Anlass, darüber nachzudenken, „was wir denn tun können, kurzfristig – und das ist nicht ganz so viel, ehrlicherweise“. So könne man in den gut zwei Monaten bis zum 20. Januar weder die Struktur der Bundeswehr noch der Nato verändern. „Man hat nicht plötzlich 1.000 Panzer oder 2.000 Flugzeuge mehr, und man hat auch nicht plötzlich eine Bundeswehr von 300.000 Männern und Frauen“, sagte Pistorius. „Da muss man realistisch bleiben.“
Wie zuvor Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) betonte auch Pistorius die Notwendigkeit, künftig deutlich mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben. Es sei sehr früh klar gewesen, „dass zwei Prozent nur die Basis sein können, aber nicht die Decke“, sagte Pistorius. „Die zwei Prozent werden nicht reichen“, fügte er mit Blick auf das Ziel der Nato-Mitgliedsstaaten hinzu, jährlich zwei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben.