Blackout-Risiko durch China – warum Peking uns den Strom abschalten kann

China könnte Deutschland im Fall außenpolitischer Spannungen den Solarstrom abdrehen. Der Grund: Ein Großteil der in der Bundesrepublik installierten Solaranlagen stammt aus der Volksrepublik und wird auch mit chinesischen „Wechselrichtern“ betrieben.

Diese Geräte lassen sich per Internetbefehl abschalten, was in anderen Weltregionen auch schon passiert ist. Im Krisenfall könnten chinesische Hersteller damit einen Blackout hierzulande auslösen. Das für die Abwehr von Cyberangriffen zuständige Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist alarmiert, wie die Behörde WELT AM SONNTAG mitteilte.

Verschärft wird die Situation durch das von der Bundesregierung geplante „Solarspitzen-Gesetz“ zur Stabilisierung des Stromnetzes. Es gebe ein „erhebliches Gefährdungspotenzial“, sagte ein Sprecher des BSI. Hintergrund ist, dass chinesische Unternehmen und damit die Zentralregierung in Peking über die internetfähigen Komponenten von Solaranlagen direkten Zugriff auf einen systemrelevanten Teil der deutschen Stromversorgung haben.

Die Bundesregierung will mit dem Gesetz die Steuergeräte von Solaranlagen nutzen, um gefährliche Grünstrom-Überschüsse in der verbrauchsarmen Zeit, um Ostern und Pfingsten einzudämmen. Wechselrichter werden standardmäßig verbaut, um den Gleichstrom vom Solardach in nutzbaren Wechselstrom umzuwandeln.

Auf Anweisung der Netzbetreiber sollen die Wechselrichter-Hersteller verpflichtet werden, Solardächer ferngesteuert vom Netz zu nehmen, wenn dies die Systemstabilität erfordert. Mit dem „Gesetz zur Vermeidung von Überschüssen in der Stromerzeugung“ will die Bundesregierung verhindern, dass die Netzbetreiber ansonsten gezielt regionale Stromabschaltungen in Deutschland herbeiführen müssten, um die Frequenz im Netz stabil zu halten.

Solche temporären „Brownouts“ gelten als letzte Maßnahme, um flächendeckende Stromausfälle (Blackouts) abzuwenden. Konkret ermächtigt der neue Paragraf 94 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) das Bundeswirtschaftsministerium zu bestimmen, „welche weiteren Berechtigten (…) die Einspeiseleistung ferngesteuert regeln können.“

Ursprünglich war geplant, dass die Einspeisung von Solaranlagen und Windrädern über sogenannte Smart Meter Gateways gesteuert wird. Doch die Markteinführung der intelligenten Steuergeräte kommt seit Jahren nicht in Gang. Weil nun aber in der verbrauchsarmen Zeit zu Ostern die Netzstabilität durch Solarstromüberschüsse gefährdet ist, soll die Abregelung über die Wechselrichter der rund vier Millionen deutschen Solaranlagen erfolgen, von denen ein Großteil von chinesischen Herstellern übers Internet gewartet und gesteuert wird.

Zusätzliche Brisanz durch Vorfall im November

Das Bundesamt warnt vor dieser Notlösung: „Das BSI sieht es sehr kritisch, eine netzdienliche Fernsteuerung von Wechselrichtern über die Hersteller zu realisieren“, sagte ein Sprecher der Behörde. „Dass Hersteller, eventuell über eine im Ausland beheimatete Cloud, direkten Zugriff auf eine so große Zahl von Geräten im europäischen Verbundnetz haben, birgt nach Ansicht des BSI ein erhebliches Gefährdungspotential.“

„Neben dem direkten Zugriff des Herstellers können auch Sicherheitslücken in den Produkten oder der Herstellercloud dann Dritten einen unbefugten Zugriff ermöglichen“, heißt es beim BSI weiter: Nach Ansicht der Behörde „sollten Energiewendeanlagen, wie zum Beispiel PV-Anlagen, möglichst lokal betrieben und die netzdienliche Steuerung dieser Anlagen über intelligente Messsysteme realisiert werden.“

Zusätzliche Brisanz erhält die Lage durch die unangekündigte Fernabschaltung zahlreicher Solaranlagen in den USA und Großbritannien durch den chinesischen Wechselrichter-Hersteller „Deye“ im November vergangenen Jahres. Litauen verbot danach umgehend die Einfuhr von chinesischer Steuerungstechnik für Solar- und Windkraftanlagen sowie Batteriespeicher.

„Seit dem Deye-Vorfall sind wir praktisch wöchentlich im Austausch mit dem BSI“, sagte Eric Quiring, Director Global Affairs des deutschen Wechselrichter-Herstellers SMA auf Nachfrage. Das „Sunny Portal“ von SMA verfüge über die Kritis-Zertifizierung 27001 und gelte als sicherer Bestandteil der kritischen Infrastruktur, sagte Quiring.

Benedikt Fuest ist Wirtschaftskorrespondent für Innovation, Netzwelt und IT. Daniel Wetzel ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Energiewirtschaft, Energiepolitik, Klimapolitik und Tourismuswirtschaft.

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