Bereits abgehängt? Dieser Zukunftstrend birgt für Deutschland noch eine riesige Chance

Zu Donald Trump lässt sich viel Negatives sagen, aber wie man eine Welle macht, das weiß der US-Präsident. „Stargate“ nennt Trump das Programm, mit dem er Amerika bei künstlicher Intelligenz uneinholbar an die Weltspitze katapultieren will. 500 Milliarden Dollar sollen die beteiligten Firmen investieren, um das Tor zu den Sternen mit dem Aufbau der nötigen Infrastruktur aufzustoßen.

Zum Vergleich: Das entspricht in etwa dem Bundeshaushalt. In Deutschland – ja selbst in Europa – wird es kein Firmenkonsortium geben, das auch nur einen nennenswerten Teil dieser Summe zusammenbringt.

Wir Europäer, auch wir Deutschen, müssen uns fragen, was Trumps KI-Offensive für unsere Volkswirtschaften, auch für unsere Unabhängigkeit in Zukunft bedeutet. Lassen wir uns so beeindrucken, dass wir in Schockstarre verfallen? Wenn man davon ausgeht, dass künstliche Intelligenz die nächste Technologie der Zukunft ist, mindestens so wichtig wie das Internet, dann hat es für uns Folgen, wenn mit den Vereinigten Staaten und China zwei Großmächte den Wettbewerb um die Technologie-Führerschaft unter sich ausmachen. Schon bei Geschäftsmodellen, die aus der Nutzung des Internets entstehen, ist es uns Deutschen kaum gelungen, konkurrenzfähige Unternehmen aufzubauen.

Sicher gibt es nicht wenige Politiker in Europa, die auf die Initiative der Amerikaner gern mit staatlichen Investitionen reagieren würden. So etwas endet meist mit Förderprojekten, gelenkt von Bürokraten, die das Geld im Interesse ihrer Länder und deren Firmen verteilen, meist ohne zu fruchtbringenden Ergebnissen zu kommen.

Kennt außerhalb eingeweihter Kreise jemand etwa Gaia X? Das ist eine europäische Initiative zum Aufbau einer von den USA unabhängigen Datencloud, getragen vor allem von Deutschland und Frankreich. Es war auch eine Reaktion auf die erste, recht unfreundliche Regierungszeit Trumps.

Dass kaum noch einer darüber spricht, liegt nicht zuletzt an den mangelnden Ergebnissen. Und die fehlen auch, weil man im Verlauf der Initiative große US-Cloudkonzerne beteiligt hat, die eben andere Interessen haben, als sich selbst Konkurrenz zu machen.

Wir müssen nicht zum Technikmuseum werden

Machen wir uns ehrlich: Europa wird die künstliche allgemeine Intelligenz nicht vor den Amerikanern entwickeln, weil uns die Ressourcen an Geld, Unternehmen und Wissenschaftsclustern fehlen. Auch, weil wir uns nie einigen können. Wir werden OpenAI, Meta und Google in diesem Wettrennen nicht einholen.

Deswegen müssen wir aber noch lange nicht in Scham zum Technikmuseum der Welt werden. Was Europa gut kann, vor allem Deutschland, das sind Industrieanwendungen.

Nutzen wir die KI-Entwicklungen der anderen, um daraus Anwendungen zu entwickeln, mit denen Unternehmen ihre Probleme lösen, mit denen Dienstleister effizienter arbeiten und Autohersteller ihre Fahrzeuge besser machen. Das ist eine Chance, die Stärken dieses Landes in die Zukunft zu transferieren.

Daraus entsteht kein zweites Google oder Facebook, aber möglicherweise eine neue SAP, ein neues Siemens. Bislang verdienen nicht wenige der großen KI-Modelle kein Geld, weil sie kaum sinnvoll nutzbar sind. Mit spezialisierten Anwendungen ließe sich das ändern.

Warum sollten Europa und Deutschland da nicht mithalten können, wenn die Politik richtige Rahmenbedingungen setzt? Niedrigere Energiepreise, weniger Regulierung, ein Steuerrecht, das Gründergeist begünstigt – das sind Voraussetzungen, die es jetzt braucht.

Jan Dams ist Ressortleiter Wirtschaft und Finanzen von WELT und WELT am Sonntag.