Die riesige Baustelle auf dem Burchardkai sei, sagte Angela Titzrath stolz, „das derzeit größte Brownfield-Projekt der Welt“. Komplett auf Deutsch heißt das: Die erhebliche Automatisierung des größten deutschen Containerterminals, des HHLA-Terminals Burchardkai, ist derzeit das umfassendste Projekt dieser Art in der internationalen Hafenwirtschaft – denn es läuft während des vollen Betriebes auf der Anlage. Auf dieses in der Branche viel beachtete Referenzprojekt sei man „sehr stolz“, sagt Titzrath, die Vorstandsvorsitzende des Hamburger Hafenlogistik-Konzerns HHLA, an diesem strahlend sonnigen Tag.
Mit der Präsentation der Baufortschritte am Burchardkai gerade jetzt sendet Titzrath mehrere Signale: Die ständige Modernisierung der HHLA-Anlagen ist neben der Internationalisierung der HHLA seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2017 das Kernanliegen der Managerin. Zudem wird die Hamburgische Bürgerschaft in ihrer ersten Sitzung nach der Sommerpause am kommenden Mittwoch wohl den Einstieg der weltgrößten Reederei MSC mit Sitz in Genf mit bis zu 49,9 Prozent bei der HHLA beschließen – mit den Stimmen der Regierungspartien SPD und Grüne, und gegen den heftigen Widerstand der Opposition und der Hafenarbeiter. Die Stadt Hamburg behält eine knappe Mehrheit von 50,1 Prozent der Anteile. Aus Sicht von Titzrath ist die HHLA eine „Perle“ und insgesamt einer der modernsten Hafenlogistik-Logistikkonzerne.
Notwendig ist die Automatisierung des Burchardkais auch wegen des steigenden Konkurrenzdrucks durch die Häfen vor allem in Rotterdam und Antwerpen, die ihre Modernisierung seit Jahren im großen Stil vorantreiben. Titzrath nennt keine Zahlen, sagt aber, der Durchsatz je Containerbrücke und Stunde steige auf dem Burchardkai mit den neuen Systemen „signifikant“ – das bedeutet, von durchschnittlich weniger als 30 auf deutlich mehr als 30 Containerbewegungen in der Stunde. Damit schließt der Burchardkai an das Niveau in den Westhäfen des Nordseereviers an.
Angesichts von immer mehr Großcontainerschiffen, aber auch vor dem Hintergrund schwerer logistischer Verwerfungen in der Schifffahrt und der Hafenwirtschaft werden schnelle, hocheffiziente Terminals immer wichtiger. Die etwa 400 Meter langen Megamax-Containerschiffe der neuesten Generation laden und entladen in einem Hafen wie Hamburg innerhalb von 72 Stunden teils mehr als 10.000 Stahlboxen. Das ist nur noch mit einer steigenden Automatisierung der Systeme auf den Terminals zu bewältigen.
Hinzu kommen Störungen der maritimen Logistik, durch die kaum noch ein Schiff fahrplangemäß ankommt oder abfährt – während der Pandemie war dies extrem, seit der Blockade des Roten Meeres durch die vom Iran finanzierte Huthi-Armee im Jemen wiederholen sich die Turbulenzen in ähnlicher Form. Denn nun lassen die Linienreedereien ihre Schiffe zwischen Asien und Europa anstatt durch den Suezkanal den weiten Umweg um Südafrika herum fahren, wodurch sich deren Unpünktlichkeit erhöht.
Vorbild für die Automatisierung des Burchardkais ist der benachbarte, 2002 eingeweihte HHLA-Terminal Altenwerder, der lange Zeit als modernster Containerterminal der Welt galt. Auch auf dem Burchardkai werden seit einigen Jahren sogenannte Blocklager aufgebaut, die von automatischen Portalkränen bedient werden. Dort kann man die Container in sechs Lagen hochstapeln. In den bisherigen Containerlagern auf dem Burchardkai, die von den hochbeinigen Vancarrieren angefahren werden, sind drei Lagen Container möglich. Zwischen den Containerbrücken an den Kaikanten und den neuen Blocklagern verkehren künftig vollelektrische, autonome Fahrzeuge, sogenannte AGV. Sie werden durch Transponder im Boden gesteuert. Ende des Jahres gehen die ersten AGV in den Echtbetrieb, 2025 dann das gesamte neue System.
Seit 2019 hat die HHLA in die Modernisierung des Burchardkais mehr als 400 Millionen Euro investiert, weitere rund 300 Millionen Euro sind noch geplant. Die Kapazität des Terminals wird damit auf mehr als fünf Millionen Containereinheiten (TEU) im Jahr deutlich gesteigert. Zum Vergleich: Auf den drei Containerterminals der HHLA und auf dem Terminal von Eurogate schlug der Hamburger Hafen im vergangenen Jahr insgesamt 7,7 Millionen TEU um.
Zur Modernisierung des Burchardkais zählen nicht nur die Blocklager und die Automatikfahrzeuge, sondern auch neue Schienen für den Terminal-Bahnhof und weitere der weltweit größten und modernsten Containerbrücken für die drei Großschiffs-Liegeplätze. Auch das Werkstattgebäude wird neu gebaut. Ein deutlich größerer Teil der Betriebsabläufe als bislang wird künftig elektrifiziert ablaufen und soll mit Ökostrom gespeist werden. Mit Blick auch auf den hohen Güterbahnanteil von etwa 50 Prozent beim An- und Abtransport der Container am Burchardkai sagt Titzrath: „Diese Anlage wird der modernste und ökologisch nachhaltigste Terminal für den Containerumschlag in Europa sein.“
Schon 2004 hatte der damalige HHLA-Vorstand die grundlegende Modernisierung und Automatisierung des Burchardkais beschlossen. Die lange Realisierungszeit bis zum Abschluss im Jahr 2026 hängt auch damit zusammen, dass die HHLA ein von den Arbeitnehmern mitbestimmtes Unternehmen ist. Die Vertreter der Hafenarbeiter in den Aufsichtsgremien der HHLA haben die fortschreitende Automatisierung jahrelang eher gebremst, weil sie Rationalisierungen und Arbeitsplatzverluste fürchteten.
Titzrath hingegen beteuert immer wieder, dass auch im Zuge der Komplettmodernisierung keiner der 1000 Arbeitsplätze auf dem Burchardkai verloren gehen wird. Insgesamt beschäftigt die HHLA rund 3600 Menschen in Hamburg: „Wir werden niemanden entlassen“, sagt sie auf dem Burchardkai. „Wir brauchen weiterhin Mitarbeitende. Aber die Arbeitsinhalte werden sich verändern.“ Dafür biete die HHLA umfassende Programme zur Weiterqualifizierung an. Die Automatisierungsprojekte in Hamburg dienten „der Kapazitätssteigerung und der Effizienz, aber nicht der Rationalisierung“.