Ende 2023 kündigte Arbeitsminister Hubertus Heil ein hartes Vorgehen gegen Arbeitsverweigerer an: Wer Bürgergeld bezieht und keinen Job annehmen will, dem wollte Heil das Geld komplett streichen. Den Plan erklärte er zur Systemfrage: „Es kann nicht sein, dass eine kleine Minderheit das ganze System in Verruf bringt.“ Ein entsprechender Straf-Mechanismus wurde eingeführt.
Jetzt kommt auf BILD-Anfrage heraus: Ein Jahr später weiß das Heil-Ministerium nicht, wie viele Total-Verweigerer bestraft wurden. Wie viele Voll-Sanktionen wurden ausgesprochen? Für welchen Zeitraum? Wie viel Geld hat der dadurch gespart? All das kann Heil auf BILD-Anfrage nicht beantworten.
Vom großen Wurf will das Arbeitsministerium nicht mehr sprechen. „Die Zahl der sogenannten Totalverweigerer im Bürgergeld ist verschwindend gering“, heißt es. Allerdings falle die Zahlen-Erhebung in den Jobcentern „ungleich schwer“.
„Arbeitende Bevölkerung ist solidarisch, aber nicht blöd“
CDU-Wirtschaftspolitikerin Julia Klöckner (52) übt deutliche Kritik am Bürgergeld-System. „Morgens Aufstehen, Fleiß und Steuern zahlen rechnet sich oft weniger, als daheimzubleiben“, so die Bundestagsabgeordnete zu BILD. „Die arbeitende Bevölkerung ist solidarisch, aber nicht blöd.“
Klöckner fordert: „Wer eine zumutbare Arbeit ablehnt oder Termine beim Jobcenter ignoriert, muss umgehend Kürzungen spüren.“ Nichtstun dürfe sich nicht länger lohnen.
▶︎ Fakt ist, dass die Anzahl der Sanktionen für Arbeitsverweigerer sich trotz der Heil-Ankündigungen auf niedrigem Niveau befindet. In den zwölf Monaten bis August 2024 (aktuellste Zahlen) gab es 21.730 Kürzungen, weil Bezieher einen Job nicht annahmen. 2021 – vor Einführung des Bürgergelds – waren es noch 52.174. Im Vergleich zu 2007 stellt die aktuelle Zahl der Sanktionen einen Rückgang von fast 90 Prozent dar.
Experte: Bürgergeld hat Strafen „verkompliziert“
Für den Arbeitsmarkt-Experten Holger Schäfer (56, Institut der Deutschen Wirtschaft) liegt der Rückgang nicht daran, dass es weniger Jobverweigerer gibt. „Es gibt wenig Anlass zu der Vermutung, dass sich das Verhalten der Leistungsempfänger in kurzer Zeit grundlegend verändert hat“, sagt der Forscher zu BILD.
Andere Gründe sind wahrscheinlicher. Auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2019 machte Kürzungen schwieriger. Aber: Der Straf-Stopp 2022 und die Bürgergeldeinführung 2023 waren „Signale der Politik, dass Sanktionen nicht in großer Anzahl erwünscht sind“, so Schäfer.
Dies habe sich in den vergangenen zwei Jahren geändert, doch „nach wie vor sind die Regelungen der Bürgergeld-Reform wirksam, mit denen die Verhängung einer Sanktion verkompliziert wurde“.