Jetzt kann jeder Deutsche diese Frage selbst beantworten: Hat FDP-Chef Christian Lindner (45) den Bruch der Ampel-Regierung geplant, während er öffentlich behauptete, weiter verhandeln zu wollen?
Das werfen SPD und Grüne dem früheren Finanzminister vor. Die Rede ist von „Kalkül“ und „Verrat“. Die FDP widersprach den Vorwürfen und behauptete, sich wie jede Ampel-Partei nur auf ein mögliches Koalitions-Aus vorbereitet zu haben.
Anlass für die Debatte war ein „D-Day“-Papier, über das die „Zeit“ am 15. November berichtet hatte. Demnach soll die FDP in Geheimsitzungen den Ampel-Bruch geplant haben. Der Tag des Koalitionsbruchs sei dabei als „D-Day“ bezeichnet worden, eine Anspielung auf die Landung der Alliierten in Frankreich im Zweiten Weltkrieg. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai (48) bestritt, dass das Wort benutzt wurde, auch andere FDP-Politiker widersprachen.
Jetzt hat die FDP das brisante Dokument nach einer exklusiven Berichterstattung von Table Media ins Internet gestellt, um „falschen Eindrücken zum Charakter des Papiers vorzubeugen“. Die Partei behauptet, das Ampel-Aus nicht geplant, sondern nur Szenarien vorbereitet zu haben.
FDP plante „idealen Zeitpunkt“ für Ampel-Bruch
Der Titel lautet „D-Day Ablaufszenarien und Maßnahmen“. Zu entscheiden seien u. a. „der ideale Zeitpunkt“ und „der ideale Weg“ für das Ampel-Aus. Sowie „3–5 gute Argumente, warum das Ampel-Aus und rasche Neuwahlen“ besser seien.
Phase 2 besteht aus „Mobilisierung der Mitglieder mit Videos und Kreiskonferenzen“. Phase 3 aus der „Verbreitung des Narrativs über soziale Netzwerke“. Phase 4, die „offene Feldschlacht“, besteht aus digitalen Attacken, Pressearbeit und einer Mitgliederkampagne.
In der Diskussion über das „Timing“ diskutierte die FDP, ob ein Ausstieg aus der Koalition vor oder nach der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten (5. November) erfolgen solle. „Um sich vom Ereignis der US-Präsidentenwahlen etwas zu entkoppeln“, könnte ein Ausstieg am 4. November erfolgen. Andererseits wäre die deutsche Regierung im Falle „extrem chaotischer Zustände“ in den USA „nur eingeschränkt handlungsfähig“.
Begründung: Ampel wurde zum „größten Standortrisiko“ fürs Land
Kernnarrativ: „Planwirtschaft oder soziale Marktwirtschaft“: Die Ampel soll als „größtes Standortrisiko“ dargestellt werden, handlungsunfähig durch tiefe Konflikte. Ziel: Neuwahlen, um den „Stillstand“ zu beenden. Den Streit „können wir nicht noch ein Jahr fortsetzen“.
Auch eine vorbereitete Lindner-Rede findet sich im „D-Day“-Papier. Die Regierung „muss jetzt enden“, Deutschland „zu schnellen Neuwahlen kommen“. Dabei könnte das Ampel-Aus mit einem Social-Media-Video oder einem Selfie begleitet werden. Im Dokument heißt es: „Ampel begann mit einem Selfie und endet auch so.“
Die Ampel platzte am 6. November wenige Stunden nach der US-Wahl. Lindner schlug Kanzler Olaf Scholz (66, SPD) Neuwahlen vor, Scholz warf ihn aus der Regierung.
Das sagt die FDP zum „D-Day“-Papier
Die FDP weist jede Kritik zurück: Das veröffentlichte Papier, so heißt es in einem Statement, sei „technisch“ und diente „rein internen Vorbereitungen“ für ein mögliches Ausscheiden der Partei aus der Ampel. Weil man „falschen Eindrücken zum Charakter des Papiers vorbeugen“ wolle, haben man es jetzt veröffentlicht. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai nennt die „Skandalisierung“ des Vorgangs „absurd“.
Auf der Plattform X schreibt er, angesichts der Spekulationen über ein Ampel-Aus sei es schlicht „professionell“ gewesen, sich auf diese Option einzustellen.