Bankrott und dennoch voll im Soll? Das steckt hinter dem Volocopter-Rettungsplan

Der Flugtaxi-Entwickler Volocopter hat zwei Monate nach der Pleite des Wettbewerbers Lilium ebenfalls Insolvenz angemeldet. Bei Lilium steigt im letzten Moment eine europäisch-nordamerikanische Investorengruppe ein und der bereits gestoppte Geschäftsbetrieb läuft wieder an. Bei Volocopter gibt es nach Angaben des Insolvenzverwalters ebenfalls die Hoffnung auf einen Retter. Beim Vergleich der bisherigen Ankündigungen zeigt sich: Volocopter könnte noch vor Lilium den kommerziellen Betrieb aufnehmen.

Binnen zwei Monaten soll ein Investor für das 2011 gegründete Unternehmen gefunden werden, heißt es vom vorläufige Insolvenzverwalter. „Wir werden uns bemühen, bis Ende Februar ein Sanierungskonzept zu entwickeln und dieses mit Investoren umzusetzen“, erklärt der Volocopter-Insolvenzverwalter, der Mannheimer Rechtsanwalt Tobias Wahl.

In einer Unternehmensmitteilung heißt es, dass Volocopter mit derzeit 500 Beschäftigten kurz vor der Ziellinie stehe, die Marktzulassung für sein Modell VoloCity für Großstadteinsätze zu erhalten. Neben dem Piloten gibt es Platz für einen Passagier. Nach der Zertifizierung durch die Aufsichtsbehörde EASA will das Unternehmen 2025 auf den Markt kommen. Sowohl bei Lilium als auch bei Volocopter haben sich die Zeitpläne wiederholt verschoben. Lilium nannte vor dem Verkauf an die neuen Investoren 2026 als das erhoffte Jahr der Markteinführung und Anfang 2025 als Zeitpunkt des ersten bemannten Flugs. Volocopter ist bereits vor Jahren bemannt geflogen.

Zwischen Lilium und Volocopter gibt es große Unterschiede bei der Technik (30 ummantelte Elektro-Turbinen gegenüber 18 offenen Rotoren) und dem angepeilten Markt (Regionalverbindungen gegenüber Großstädten), aber eine Gemeinsamkeit: jahrelange Verluste und zuletzt leere Kassen. Beide Unternehmen baten den Bund und ihre Standortregierungen in Bayern (Lilium) und Baden-Württemberg (Volocopter) um eine Finanzbürgschaft – und in beiden Fällen gelang dies nicht. Beide Unternehmen hatten im Vorfeld vor einer Pleite gewarnt.

Bei Volocopter schien die Insolvenzgefahr im Sommer gebannt, als von einer neuen Kapitalspritze aus dem Kreis der etwa 50 Gesellschafter berichtet wurde. Zu den größten Investoren gehörte bisher der chinesische Geely-Technologiekonzern, der wiederum einer der größeren Daimler-Aktionäre ist. 2021 hatten Volocopter und Geely ein Gemeinschaftsunternehmen in China vereinbart.

Branchenkenner gehen davon aus, dass es im Kreis der Volocopter-Gesellschafter letztlich keine Einigung über die künftigen Anteile und die China-Strategie gab, weshalb die weitere Kapitalerhöhung platzte.

Angeblich wollte Geely gemeinsam mit einer Gruppe von Investoren umgerechnet rund 90 Millionen Euro zur Verfügung stellen, im Gegenzug für 85 Prozent der Anteile, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg Mitte November. Neben Geely gehören auch ein Fonds aus Saudi-Arabien, Mercedes-Benz oder der Logistiker Schenker zu den Gesellschaftern.

Der scheidende Volocopter-Chef Dirk Hoke, der an die Spitze des Technologiekonzerns Voith wechselt, verweist auf einen Vorteil des Flugtaxi-Pioniers: Das Unternehmen verbrauche im Branchenvergleich sehr wenig Geld für den Geschäftsbetrieb. „Wir sind unseren Branchenkollegen in Sachen Technologie, Flugerprobung und Zertifizierung voraus. Das macht uns zu einem attraktiven Unternehmen, in das man investieren kann, während wir uns intern umstrukturieren.“

Unterdessen wird der Neustart von Lilium eingeleitet. Am 30. Dezember um 11 Uhr hat nach WELT-Recherche das Amtsgericht Weilheim das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Dachgesellschaft Lilium N.V. wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet. Mit diesem Schritt wurde gerechnet, weil das Rettungskonzept den Aufkauf der Vermögenswerte aus den wichtigen deutschen Tochtergesellschaften vorsieht. Der Kaufpreis wird nicht an die Dachgesellschaft fließen, deren Aktien damit wohl wertlos sind.

Gerhard Hegmann schreibt für WELT über Rüstung, Luft- und Raumfahrt und Militär.