Baltische Länder kappen Stromnetzverbindung zu Russland

Drei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine haben die baltischen Länder ihre Stromnetzverbindungen zu Russland und Belarus gekappt. Am Samstagmorgen trennte zunächst der litauische Netzbetreiber Litgrid das Land offiziell von
dem jahrzehntealten Verbundsystem. „Wir haben die Verbindung getrennt“,
sagte ein Sprecher. 

Lettland und Estland folgten kurz darauf. Die Trennung verlief ohne Probleme und blieb für die Verbraucher
unbemerkt, wie die Netzbetreiber in Estland, Lettland und Litauen
mitteilten. Nach letzten Tests sollen sich die drei Staaten am Sonntag mit dem Stromnetz der EU synchronisieren – eine Maßnahme, die ihre Unabhängigkeit von Russland weiter festigt. Der Anschluss an das europäische Stromnetz soll über Polen laufen.

Das litauische Energieministerium teilte mit, dass Notfallpläne
ausgearbeitet worden seien, um mögliche Stromausfälle zu bewältigen. Im
Ernstfall könnten einige große Energieverbraucher, wie etwa Fabriken,
vorübergehend vom Netz genommen werden, um die Grundversorgung
sicherzustellen. Der polnische Stromnetzbetreiber PSE kündigte an, die
Verbindung mit Litauen mit Hubschraubern und Drohnen zu überwachen.

Obwohl Lettland, Litauen und Estland bereits seit kurz nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine keinen Strom und Gas mehr aus Russland beziehen, waren sie weiterhin physisch mit dem Netz verbunden. Es war in den Fünfzigerjahren errichtet worden, verband die damaligen Sowjetrepubliken und wird bis heute von Russland aus kontrolliert.

Neue Netze kosteten 1,6 Milliarden Euro

Erste Bestrebungen, sich aus dem System zu lösen, gab es bereits nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland im Jahr 2014. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und jüngste Sabotageakte an Energie- und Datenleitungen in der Ostsee, die Russland zugeschrieben werden, haben die Bemühungen zusätzlich beschleunigt.

Behörden
zufolge erfolgt die Abkopplung von Russland auch zum Schutz der drei
Länder. Dadurch werde es Russland unmöglich gemacht, „das Stromsystem
als Werkzeug geopolitischer Erpressung zu nutzen“, sagte der litauische
Energieminister Žygimantas Vaičiūnas.

Insgesamt investierten die drei baltischen Staaten rund 1,6 Milliarden Euro – größtenteils aus EU-Mitteln – in die Abkopplung von Russland. Die neue Netzstruktur macht sie jedoch stärker von Unterseeleitungen abhängig. Für die Europäische Union bedeutet die Umstellung eine zusätzliche Herausforderung: Sie muss künftig potenzielle Störungen im Stromnetz der Region abfedern.

Die Abkopplung soll in allen drei Ländern mit offiziellen
Veranstaltungen gefeiert werden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von
der Leyen will am Sonntag in der litauischen Hauptstadt Vilnius an einer
Zeremonie teilnehmen.

Die EU-Außenbeauftragte und ehemalige
estnische Regierungschefin Kaja Kallas beschrieb die Abkopplung vom
russischen Stromnetz im Onlinedienst X als einen „Sieg für die
Demokratie“. Der russische Regierungssprecher Dmitri Peskow sagte in der vergangenen Woche,
sein Land habe „alle Maßnahmen ergriffen, um den zuverlässigen und
unterbrechungsfreien Betrieb“ seines Energiesystems zu gewährleisten.