Seit 12 Jahren ist Thomas Bach (71) Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Am 23. Juni endet seine Amtszeit. Das BILD-Interview:

BILD: Herr Bach, FDP-Urgestein Wolfgang Kubicki ist nach der Wahlniederlage nachts aufgeschreckt und hat gedacht: Mein Gott, du musst ja wieder selbst Auto fahren. Haben Sie ähnliche Ängste?

Thomas Bach (lacht): „Nein, im Gegenteil! Vielleicht darf ich dann wieder mal selbst fahren. Darauf freue ich mich. Man bewirbt sich ja nicht für ein Amt, um Privilegien zu haben, sondern weil man etwas bewegen will. Ich habe der Olympischen Bewegung gegeben, was ich geben kann. Da bin ich mit mir im Reinen.“

BILD: Was war der schönste Moment in den 12 Jahren?

Bach: „Die Schlussfeier von Paris 2024. So stelle ich mir ideale Olympische Spiele vor. Ich bin angetreten mit der Olympischen Agenda, die Spiele nachhaltiger zu machen, das Bewerbungsverfahren fairer und die Athleten mehr in den Vordergrund zu rücken. In Paris ist dies eindrucksvoll gelungen. Und das war ein gutes Gefühl. Wir haben 95 Prozent schon bestehender Sportstätten genutzt, das Geschlechterverhältnis war 50:50 und das Land hat die Spiele umarmt und gefeiert. Das wurde auf der ganzen Welt anerkannt. Mehr geht nicht!“

BILD: Sie sagen es: Ihre Erfolge werden auf der ganzen Welt gefeiert. Nur in Deutschland hagelt es oft Kritik. Wie erklären Sie sich das?

Bach: „Vielleicht ist es das alte Sprichwort vom Propheten im eigenen Land. Es gibt ein paar Medienschaffende, die sich seit Jahren an mir abarbeiten. Das kann ich nicht ändern und deshalb beschäftige ich mich nicht damit.“

BILD: Felix Neureuther, der Sohn von Olympiasiegerin Rosi Mittermaier (†72), ist einer Ihrer größten Kritiker. Haben Sie mal mit ihm gesprochen?

Bach: „Ich nehme jede Kritik ernst. Aber manche machen Kritik auch zu ihrem Geschäftsmodell. Solche Kritiker kann man nicht überzeugen.“

BILD: Ihnen wird eine zu große Nähe zu Wladimir Putin vorgeworfen. Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?

Bach: „Irgendwann im Sommer 2019. Seitdem gibt es keinen Kontakt. Ich habe mit ihm bei Olympia in Sotschi sehr gut zusammengearbeitet. Das hat sich mit dem russischen Doping-Skandal geändert. Wir haben das russische NOK suspendiert, und heute werde ich in Russland als Nazi beschimpft. Ich glaube, das sagt alles.“

BILD: Wenn Sie bald mehr Zeit haben, können Sie ja helfen, dass Olympia endlich mal wieder in Deutschland stattfindet. Zuletzt haben Sie sich eher skeptisch geäußert.

Bach: „Wir müssen uns in Deutschland endlich mal wieder für etwas Positives begeistern. Das dann auch wirklich wollen und anstreben. Und nicht immer nur zweifeln, was alles schief gehen könnte. Das sage ich als deutscher Staatsbürger, nicht als IOC-Präsident. Dazu gehört auch ein gesellschaftspolitisches Bekenntnis zur Leistung, das uns ein wenig abhanden gekommen ist.“

BILD: In Deutschland gibt es Streit, weil in Grundschulen die Bundesjugendspiele abgeschafft wurden. Vermitteln wir unseren Kinder keinen Leistungsgedanken mehr?

Bach: „Dass der Wettkampf in Grundschulen jetzt abgeschafft wurde, ist Elend pur. Es widerspricht allem, wofür der Sport und eine Gesellschaft stehen. Eine Gesellschaft lebt am Ende von Leistung. Wenn man Anstrengung und Leistung schon im Sport abwürgt, dann muss man sich über den Zustand dieses Landes nicht wundern.“

BILD: In Deutschland kann man jetzt jährlich sein Geschlecht ändern. In Paris sorgte die Goldmedaille für die Boxerin Imane Khelif für Empörung. BILD nannte sie „männliche Boxerin“. Wie will Olympia in Zukunft damit umgehen?

Bach: „Zunächst einmal muss man da BILD einen Vorwurf machen. Die beiden Boxerinnen, über die diskutiert worden ist, wurden als Frauen geboren und wuchsen als Frauen auf. Sie waren schon in Tokio am Start und haben dort keine Medaille gewonnen. Hier handelt es sich nicht um Transgender-Fälle“

BILD:  Heute schon an der Konsole gezockt. Ich frage, weil es ab 2027 Olympische Spiele im E-Sport geben wird. Hand aufs Herz: Ist das überhaupt Sport?

Bach: „Ja! Es gibt zum Beispiel  traditionellen Sport mit virtuellen Wettkämpfen. Sie sitzen auf einem Heimtrainer und fahren virtuell ein Radrennen gegen Menschen auf der ganzen Welt. Dann gibt es Sportsimulationen wie Fifa oder NBA, wo sie Fußball oder Basketball spielen. Da bewegen sie sich zwar nicht viel, aber das tun sie beim Bogenschießen ja auch nicht. Da kommt es auf andere Dinge an. Zum dritten gibt es die klassischen E-Games. Alle drei Formate werden ihren Platz bei den Olympischen E-Sport-Spielen haben. Olympia muss dahin gehen, wo die jungen Leute sind. Und nicht warten, dass sie von selbst kommen. Aber ich gebe zu: Für mich war das auch ein Signal zu erkennen, dass es jetzt an der Zeit für eine neue Generation ist.“

BILD: Was werden Sie ab dem 24. Juni machen? Wo werden Sie leben?

Bach: „Wir werden einen Fuß in der Schweiz behalten, aber der Lebensmittelpunkt wird wieder in Deutschland in der fränkischen Heimat sein.“