Betont lässig im Poloshirt steht Olaf Scholz im Mittelgang seines Regierungsfliegers, spricht mit den mitgereisten Reportern auf dem Rückflug aus Rio. Es ist ein Flug ins Ungewisse: Zu Hause in Deutschland wartet Krise. Es geht um seine Kanzlerkandidatur.
Seine Laune: Erstaunlich gut in Anbetracht des denkwürdigen Streits in seiner SPD um die K-Frage. Aufgeben sieht anders aus!
Eben noch war Scholz auf der großen Weltbühne gestanden, sich mit Chinas mächtigem Herrscher Xi, US-Präsident Joe Biden und den anderen wichtigen G20-Regierungschefs getroffen, über Weltwirtschaft, Klima und Ukraine verhandelt. Kurz vor dem Abflug soll Scholz sogar noch Zeit für einen kurzen Strandspaziergang gehabt haben.
Der Kontrast könnte größer kaum sein: Wenn Scholz gegen 9.20 Uhr in Berlin landet, dann erwarten ihn in Berlin Nieselregen, Mützenich und eine SPD in Aufruhr.
Denn während sich der (Noch-)Kanzler mit den Mächtigen der Welt an der Copacabana traf, hatten Teile seiner SPD einen Putsch angezettelt. Ziel: Scholz als Kanzlerkandidaten stürzen, um mit dem in Umfragen deutlich beliebteren Verteidigungsminister Boris Pistorius (64) in die Schlacht zu ziehen.
Kurz vor dem Abflug noch hatte Scholz, versucht, den Brand einzudämmen, gab Interviews am Fließband. Auffällig seine Betonung auf ein Wort: „gemeinsam“. So wolle man die kommenden Wochen und die Bundestagswahl bestreiten. Der Scholz-Plan: bis Montag zu den Gremiensitzungen haben sich die Gemüter beruhigt.
Doch diese Zeit hat er nicht. Auf dem Rückflug konnte sich wohl auch Scholz davon überzeugen, nachlesen, wer sich da alles von Acker gemacht hat.
Martin Schulz beschimpft SPD-Legenden
Darunter die mächtigen Chefs der Landesgruppe der NRW-SPD im Bundestag, Dirk Wiese (41) und Wiebke Esdar (40). „Im Zentrum steht die Frage, was die beste politische Aufstellung jetzt für diese Bundestagswahl ist. Dabei hören wir viel Zuspruch für Boris Pistorius“, ihre Ansage. Auch Sigmar Gabriel, früherer SPD-Chef und noch immer mit viel Einfluss, mahnte eine „schnelle Entscheidung“ an. Ähnlich Juso-Chef Philipp Türmer. Und Ex-SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz (67) sagte bei Maischberger (ARD): „Es geht es auch ein bisschen um das Schicksal unseres Landes.“
Tollhaus SPD: Wie blank die Nerven liegen, zeigte sich daran, dass Schulz die Ex-Parteichefs Franz Müntefering (84) und Sigmar Gabriel (65) als „besserwisserische Amtsvorgänger“, die sich „vom Spielfeldrand einmischen“ beschimpfte.
Scholz wird – so sind sich Beobachter einig – heute nach seiner Ankunft in Berlin versuchen, die Reihen zu schließen, den Putsch zu stoppen. Jetlag hin oder her. Ob am Ende die SPD mit Olaf Scholz oder Boris Pistorius als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf zieht, bleibt vollkommen offen.