Manchmal muss es erst viel schlimmer werden, bevor es wieder besser werden kann. Das wäre die positive Auslegung der Zahlen, die der Autobauer Audi gerade vorgelegt hat. Die negative: Audi steckt in einer Krise, die mindestens so tief ist wie diejenige der großen Schwestermarke Volkswagen.
Das dritte Quartal des laufenden Jahres hat die Marke mit einem Verlust abgeschlossen. Minus 168 Millionen Euro beträgt das operative Ergebnis von Audi. Nur die Gewinne von Bentley, Lamborghini und Ducati hieven den Audi-Konzern, der diese Marken vereint, in die schwarzen Zahlen.
In Wolfsburg sollte man sich die Ergebnisse ganz genau ansehen. Denn ein Teil des Audi-Desasters blüht auch der Marke VW. Nämlich dann, wenn Werke geschlossen werden sollten, womit das Management droht.
Audi-Chef Gernot Döllner kann für seine roten Zahlen eine riesige Rückstellung als Grund anführen: 1,2 Milliarden Euro legt er zurück für die mögliche Schließung des Werks in Brüssel. Noch laufen die Verhandlungen darüber mit den Arbeitnehmern; das Ende der Produktion ist bereits für Februar vorgesehen.
Ist das Werk erst einmal geschlossen, dann sinken die Kosten des Unternehmens. Die 1,2 Milliarden Euro könnte man so gesehen als Investition in die zukünftige wirtschaftliche Stabilität verstehen. Aber Sparen allein reicht natürlich nicht. Die Kosten sind nicht der einzige Faktor, der Audi derzeit schwer belastet.
Das wesentliche Problem sind Fehler des Managements. Die große, stolze Entwicklungsabteilung von Audi hat es über Jahre nicht geschafft, neue Modelle in der vorgesehenen Zeit auf den Markt zu bringen.
Ein Teil des Problems ist die schwierige Zusammenarbeit zwischen Audi und der VW-Softwaretochter Cariad, die ihrerseits nicht richtig funktioniert (hat). Jetzt kommen viele neue Autos um Jahre verspätet, eine richtige Modellflut bringt Döllner im kommenden Jahr auf den Markt. Das kostet Geld und es belastet die Verkaufszahlen.
Von einem Jahr des Übergangs spricht der Audi-Chef. Man kann es auch Jahr der Krise nennen. Die Absatzzahlen sind nicht nur in China eingebrochen. Selbst im Heimatmarkt Deutschland fährt Audi den Konkurrenten hinterher. Während im Oktober insgesamt sechs Prozent mehr Autos neu zugelassen wurden als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, schrumpfte die Zahl für Audi um fast 20 Prozent. BMW und Mercedes-Benz kamen dagegen auf fünf Prozent mehr Neuzulassungen und die Marke VW auf mehr als 26 Prozent plus.
Wenn Autohersteller neue Modelle angekündigt haben, sie aber noch nicht bei den Händlern sind, sind Absatzrückgänge in der Industrie nicht ungewöhnlich. Nur sollte dieser Übergang möglichst nicht allzu lange andauern. Bei Audi ist das Ende noch offen. Für das kommende Jahr sind acht neue Modelle angekündigt, für 2026 noch mal drei. Diese müssen bei den Kunden erst einmal ankommen.
Bis es wieder aufwärts geht, könnte es eng werden für Audi. Der Automarkt steht insgesamt unter Druck, die Gewinne bei fast allen Konzernen sind deutlich gesunken. Aber kein Premiumhersteller steckt so tief in der Krise wie die VW-Tochter. In den vergangenen neun Monaten schaffte die Marke Audi gerade noch eine Gewinnmarge von 2,5 Prozent.
Das ist nur knapp mehr als die der Marke VW (2,1 Prozent). Rechnet man jeweils andere Schwesterunternehmen dazu, bei VW etwa Skoda, dann sehen die Zahlen nur wenig besser aus. Von der Zielmarke zwölf Prozent, zu erreichen im Jahr 2027, ist der Audi-Konzern aber noch weit entfernt.
Vor einem Jahr hat Döllner das Steuer bei Audi übernommen und seitdem vieles verändert. Das Unternehmen hat eine neue Organisationsstruktur bekommen, Döllner hat selbst die Führung der Entwicklungsabteilung übernommen. Bis neue Strukturen aber greifen und sich beim Produkt auf der Straße etwas ändert, dauert es in der deutschen Autoindustrie Jahre. Ob Audi so viel Zeit bleibt, ist fraglich.
Klar ist: Es muss sehr schnell vieles besser werden bei Audi. Noch schlechter wäre fatal.
Daniel Zwick ist Wirtschaftsredakteur und berichtet für WELT über alle Themen aus der Autoindustrie.