Attention, please

Für die Deutschen ist ein Problem erst dann real, wenn sie dagegen wenigstens innerlich auf die Straße gegangen sind. Nun also Trump, dieser orangefarbene, dystopische Despot, da steht man natürlich vor der Frage: Was macht das eigentlich mit mir? Und was unternehme ich jetzt gegen ihn? Trauer, Wut, Verachtung, Verspotten: reicht ja alles nicht. Etwas muss getan werden. Oder aber etwas darf gerade jetzt nicht getan werden? Wäre Unterlassung eventuell eine Option? Ja, ja, genau, das ist es: keine Aufmerksamkeit für Donald J. Trump, den 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, mächtigsten Mann der Welt, Oberbefehlshaber der schlagkräftigsten Streitkräfte aller Zeiten! Nicht von mir!

So rauscht es einem durch den Kopf, während der Laptop noch warm ist vom Anschauen der präsidialen Inaugurationszeremonie in Washington. Und wenn wir schon dabei sind mit dem Nicht-mehr-Beachten: Elon Musk wird ab sofort ebenfalls ignoriert… also soweit es halt möglich ist, ein bisschen schaue ich mir das Theater auf X noch an, aber dann, bald …

Die Logik des Ignorierens ist natürlich bestechend. Trump und seinesgleichen leben schließlich von unserer Aufmerksamkeit. Sie provozieren, sooft sie können, machen oder machen keine Hitlergrüße, deuten an oder auch nicht, demnächst in Grönland einzumarschieren, und erfreuen sich alldieweil an unseren roten Gesichtern.

Wir beschließen also: Das hat jetzt ein Ende. Aufmerksamkeit wird nicht mehr gedankenlos verschenkt, wir lassen die Stöckchen, über die wir springen sollen, Stöckchen sein, wir laufen einfach drumherum oder noch besser: ganz woandershin. Mein Widerstand heißt Achtsamkeit. Und schon fühlt sich das eigene Leben ein bisschen richtiger an.

Bis man’s halt merkt. Bis einem dämmert, dass die schöne Liegewiese des Behelfswiderstands leider nur jenen offensteht, die von Trumps schlimmstmöglichen Entscheidungen gar nicht unmittelbar betroffen sind. Dass das Ignorieren von Trump (und Musk) am Ende auch eine Frage der räumlichen Distanz ist, und vor allem eins ist: ein Privileg.

Wer in Mexiko an der Grenze wartet und gerade eine Terminabsage der US-Asylbürokratie erhalten hat, kann den dystopischen Despoten nicht ignorieren. Wer als Transperson plötzlich auf eine staatlich verordnete Mauer der Diskriminierung prallt, kann nicht weghören oder wegschauen.

Schön wär’s, wenn’s einfacher wäre. Aber wenn’s einfacher wäre, wäre es auch nicht so schlimm.

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