Seit dem vergangenen Sommer debattiert Deutschland über Taurus-Lieferungen an die Ukraine – jetzt herrscht plötzlich große Einigkeit. Die Spitzen von Union, FDP und Grünen wollen schnell liefern.

Die Frage ist: Bleibt Kanzler Olaf Scholz (66, SPD) bei seinem Nein?

Nachdem US-Präsident Joe Biden (81) der Ukraine laut US-Medienberichten den Einsatz von ATACMS-Raketen tief im russischen Staatsgebiet erlaubt hat, ist auch die Debatte um Taurus neu entbrannt. Beschließt Deutschland jetzt die Wende in der Taurus-Frage?

Was sagt wer?

Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck (55) erklärte, als Regierungschef würde er sofort Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern. Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (43, Grüne) begrüßte die Biden-Erlaubnis. Es gehe darum, dass „die Ukrainer nicht warten müssen, dass die Rakete über die Grenze fliegt, sondern dass man die militärischen Abschussbasen (…) zerstören kann“, sagte Baerbock im rbb Inforadio.

FDP-Chef Christian Lindner (45) hatte am Mittwoch im Bundestag erklärt, Deutschland müsse „die Kraft zu dem finden, für was es längst in diesem Parlament eine Mehrheit gibt – die Ukraine auch mit dem Waffensystem Taurus auszurüsten“. FDP-Fraktionschef Christian Dürr brachte eine erneute Taurus-Abstimmung noch vor der vorgezogenen Bundestagswahl ins Spiel – mit den Stimmen der Grünen und der Union.

CDU-Chef Friedrich Merz (68) bekräftigte zuletzt seine Bereitschaft, der Ukraine Taurus zu liefern. Dem „Stern“ hatte Merz gesagt, er würde Kiew „das Recht geben, zu sagen: Wenn das Bombardement auf die Zivilbevölkerung nicht innerhalb von 24 Stunden aufhört, werden die Reichweitenbegrenzungen der vorhandenen Waffen gemeinschaftlich aufgehoben. Falls das nicht ausreicht, wird eine Woche später der Taurus geliefert“.

Was spricht dagegen?

Auch wenn der Bundestag grünes Licht für die Taurus-Lieferung geben würde, wäre die Abstimmung nicht bindend. DENN: Über die Lieferung einzelner Waffengattungen entscheidet nicht der Bundestag, sondern der Bundessicherheitsrat – und letztlich der Bundeskanzler, der dem Gremium vorsteht.

Scholz lehnt die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 Kilometern in die Ukraine bisher ab. Seine Linie: Deutschland werde die Ukraine so lange wie nötig unterstützen, sich aber nicht in den Konflikt hineinziehen lassen.

Stattdessen wirbt er für eine Friedenskonferenz unter Teilnahme Russlands. „Frieden in der Ukraine können wir nur auf Basis des Völkerrechts erreichen“, sagte Scholz der brasilianischen Zeitung „Folha de Sao Paulo“. „Das wird noch enorme Anstrengungen erfordern.“ Für sein Telefonat mit Kreml-Chef Wladimir Putin (72) war er am Freitag massiv kritisiert worden.