Noch bevor Markus Kamieth, Vorstandschef des Chemiekonzerns BASF, den Capital Markets Day des Konzerns am Donnerstag eröffnete, bekam er den Missmut seiner Aktionäre zu spüren. Ablesen konnte er diesen am Aktienkurs. Um gut zwei Prozent war das Papier des Konzerns bereits in der Früh im Vergleich zum Vortag gefallen.
Einer der Gründe dafür war die Ankündigung des Konzerns, die Dividende in den kommenden Jahren auf je rund zwei Milliarden Euro zu deckeln. Zudem stellte BASF die Fortführung mehrere Geschäftsbereiche infrage – und will den Sparkurs weiter verschärfen.
„Wir wollen BASF zurück in die Erfolgsspur kriegen“, so Kamieth am Donnerstagnachmittag. Wie viele Arbeitsplätze die laufenden Sparprogramme kosten werden und wie viele Anlagen in Ludwigshafen noch geschlossen werden könnten, wollte Kamieth abermals nicht sagen. „Es liegt nicht daran, dass wir das nicht teilen wollen, aber es ist nun einmal ein komplexer Vorgang“, so Kamieth.
BASF ist nach wie vor das größte Chemieunternehmen der Welt. Doch vom einstigen Stolz und Optimismus der Ludwigshafener ist derzeit nicht viel zu spüren. Schuld daran ist auch das schwierige Marktumfeld. Gestiegene Energiekosten und eine global gesunkene Nachfrage nach Chemieprodukten haben die Branche infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine in den Krisenmodus versetzt.
Erholung ist nicht in Sicht. Laut dem Verband der chemischen Industrie (VCI) ist der Gesamtumsatz der Chemie- und Pharmaindustrie im zweiten Quartal 2024 gegenüber dem Vorquartal um 0,7 Prozent auf insgesamt 53,8 Milliarden Euro zurückgegangen. Das Vorjahresniveau wurde ebenfalls leicht verfehlt. Auch die Kapazitäten der Branche sind mit zuletzt 75,1 Prozent weiterhin nicht rentabel ausgelastet.
Kamieth, der im April dieses Jahres den BASF-Vorstandsposten von Martin Brudermüller übernommen hat, reagiert mit umfassenden Maßnahmen auf das schwierige Marktumfeld. Am Capital Markets Day des Konzerns kündigte Kamieth Umstrukturierungen im Konzern-Portfolio an. Mehrere Geschäftsbereiche wie Agrochemie, das Geschäft mit Batteriematerialien oder Beschichtungen könnten etwa per Börsengang ausgelagert oder verkauft werden. Im Mittelpunkt des neuen Kurses der BASF stehen jedoch Einsparungen – sowohl bei Aktionären als auch am Stammsitz in Ludwigshafen. Marktbeobachter reagieren verhalten auf Kamieths Vorstöße. Zumal die von Kamieth angekündigten Maßnahmen wenig konkret bleiben.
Mangelnde Stärke vom Standort Ludwigshafen
Die BASF verglich der Vorstandschef mit einem Baum. „Der Stamm ist gesund und stabil. Probleme gibt es nur in den Verästelungen und Blättern“, so Kamieth. Gelichtet sollen diese Probleme etwa durch die Neueinteilung der Geschäfte in „Core Businesses“ und „Standalone Businesses“ werden. Kamieth erhofft sich davon einen „anderen Blick auf das Portfolio“ des Konzerns.
Eines der Hauptprobleme der BASF bleibt die mangelnde internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Ludwigshafen, insbesondere aufgrund der hohen Energiekosten. Insgesamt strebt BASF bis Ende 2026 jährlich fortlaufende Gesamteinsparungen von rund 2,1 Milliarden Euro an, hauptsächlich am Standort Ludwigshafen. Wie konkret der Sparkurs ausgestaltet werden soll, wollte Kamieth auch am Donnerstag nicht bekannt geben.
Allerdings wurde am Capital Marktes Day klar, dass weitere Anlagen am Stammsitz stillgelegt werden könnten und die Standortvereinbarung demnächst neu verhandelt wird. Diese neue Standortvereinbarung solle den „Geist der Veränderung“ abbilden. Die Verhandlungen dazu sollen „in wenigen Wochen“ beginnen.
„Ich verstehe die Gier nach einer konkreten Personalzahl nicht“, sagte Kamieth auf die Frage, wie viele Arbeitsplätze die laufenden Sparprogramme kosten werden. Er wolle den Stammsitz des Konzerns wieder wettbewerbsfähig machen. „Unser Team unternimmt viel, um Kosteneinsparungsmaßnahmen zu identifizieren. Wir wollen aber nicht, dass die Personalzahl zu einem Ziel an sich wird“, so Kamieth.
BASF-Vorstandsmitglied Katja Scharpwinkel verwies auf eine unternehmensinterne Analyse der Produktionsanlagenstruktur in Ludwigshafen. „78 Prozent der Anlagen sind gesund und wettbewerbsfähig“, so Scharpwinkel. 22 Prozent der Anlagen hätten hingegen Probleme bezüglich der Wettbewerbsfähigkeit. Welche Anlagen das sind und welche davon möglicherweise stillgelegt werden, wollte Scharpwinkel nicht mitteilen.
„Weitere Maßnahmen zur Anpassung von Anlagen werden derzeit geprüft und soweit erforderlich schrittweise umgesetzt“, so Scharpwinkel. Erste Anlagen, etwa zur Produktion von Adipinsäure, Cyclododecanon oder Cyclopentanon, hat der Konzern in Ludwigshafen bereits heruntergefahren.
BASF-Aktie gab zwischenzeitlich kräftig nach
Dem Anspruch, dass BASF der umsatzstärkste Chemiekonzern der Welt bleibt, räumt Kamieth keine große Bedeutung bei. „Der Größte zu sein, ist kein Wert per se“, so Kamieth. Wichtiger als der weltweit größte Chemiekonzern zu sein, sei es laut Kamieth, in den jeweiligen Einzelmärkten „spitze“ zu sein.
Der Markt reagierte auf die Ankündigungen der BASF zunächst verschnupft. Der Kurs der BASF-Aktie gab von Mittwoch auf Donnerstag deutlich nach, erholte sich aber im Laufe des Donnerstags. Den Hauptgrund für den vorübergehenden Kursrückgang der BASF-Aktie sieht Oliver Schwarz, Analyst bei Warburg-Research, in der neuen Dividendenpolitik der BASF.
So will der Konzern die Dividende in den kommenden vier Jahren auf zwei Milliarden Euro pro Jahr deckeln, ab 2027 sollen Aktienrückkäufe in der Höhe von rund vier Milliarden Euro hinzukommen. „Für Investoren verliert die Aktie durch diese Deckelung natürlich an Attraktivität, die Dividendenrendite sinkt. Zudem starten die Aktienrückkäufe erst 2027, was recht spät ist“, so Schwarz.
Doch auch die anderen Ankündigungen der BASF, Randgeschäfte durch mögliche Verkäufe oder Auslagerungen schlanker aufzustellen, können Analyst Schwarz nicht überzeugen. „Es geht offenbar gar nicht mehr darum, in den einzelnen Bereichen Marktführer zu werden, sondern nur noch darum, die Gewinne zu maximieren. BASF verwaltet durch diese Änderungen nur, was der Konzern ohnehin bereits macht. Ich kann in diesen Veränderungen aber keine Wachstumsimpulse erkennen“, so Schwarz.
Auch ertragsseitig kann Schwarz bei BASF keine neuen Impulse ausmachen. „Es scheint, als würde sich BASF mit den widrigen Marktumständen arrangieren“, so Schwarz. Zu diesem Arrangement gehört offenbar der zunehmende Fokus des Konzerns auf ausländische Investitionen bei gleichzeitig verschärften Sparprogrammen in Deutschland.
„Die Welle der Anlagenstilllegungen in Ludwigshafen ist noch lange nicht vorüber. Die Investition in China mutiert zur Substitution für Ludwigshafen“, so Schwarz mit Blick auf den Bau des BASF-Verbundwerks im chinesischen Zhanjiang für rund 10 Milliarden Dollar. „Dabei war vor dem Kriegsausbruch und der Verteuerung der Energie in Europa im Jahr 2022 keineswegs geplant, dass Ludwigshafen kleingespart wird“, so Analyst Schwarz.
Arne Rautenberg, Portfoliomanager bei Union Investment, verortet den Grund für den zwischenzeitlichen Kursrückgang in der Enttäuschung der Investoren über die mangelnde Konkretisierung der von BASF geplanten Maßnahmen. „Es wurde abermals nicht konkret gesagt, wie der Sparkurs ausgestaltet werden soll“, so Rautenberg. Gleichzeit hielt Rautenberg dem Konzern zugute, dass dieser bereits große Sparanstrengungen auf den Weg gebracht habe und gibt zu bedenken, dass diese auch noch abgearbeitet werden müssten.
Auch die Portfolio-Maßnahmen und mögliche Verkaufs- oder Abspaltungspläne, etwa des Agrar- oder Batteriematerialiengeschäfts, können Rautenberg nicht überzeugen. „Das Problem, wie man trotz hoher Energiepreise und in einem schwierigen Marktumfeld wettbewerbsfähig Chemieprodukte herzustellen will, haben die verkündeten Maßnahmen nicht gelöst. Der Befreiungsschlag aus der Krise ist Kamieth nicht gelungen“, so Rautenberg.
Andreas Macho ist WELT-Wirtschaftsreporter in Berlin mit den Schwerpunkten Gesundheit und Bauwirtschaft.