Irakli Shaishmelashvili (41) hat sein Land verlassen. Zusammen mit seiner Familie ist er aus Georgien geflohen.
Damit verliert das Land einen seiner höchstrangigen Polizeibeamten, denn Shaishmelashvili war Leiter der Einsatzplanungsabteilung der Spezialeinheiten – und er hat die Proteste gegen die prorussische Regierung selbst mitbekommen.
► Im exklusiven Interview mit BILD spricht er über die Hintergründe seiner dramatischen Entscheidung – und erhebt schwere Vorwürfe gegen Regierung und die Polizeiführung.
„Die Gewalt ist nicht normal“
Die Proteste gegen die prorussische Regierung hätten ihn erschüttert, sagt er. „Die Gewalt bei den Kundgebungen ist nicht normal.“ Kritik an den brutalen Einsätzen werde abgetan: Es seien „Verräter, LGBT-Menschen, Drogenabhängige“, die auf die Straßen gingen.
Vergeblich habe er versucht, seine Kollegen zur Menschlichkeit zu bewegen: „Dort stehen unsere Bürger, Kinder wie unsere eigenen, die legitim protestieren. Warum geht ihr so hart vor?“, fragte Shaishmelashvili. Eine Antwort bekam er nicht.
„Die Polizei ist nur ein Werkzeug Moskaus“
► Brisant: Shaishmelashvili wirft der georgischen Regierung und den Sicherheitsbehörden vor, unter der Kontrolle des Kremls zu stehen. „In Georgien gibt es keinen unabhängigen öffentlichen Dienst“, sagt er. „Alles ist direkt mit Moskau verbunden, und alle Befehle kommen von dort.“
Der 41-Jährige berichtet von einer durch und durch korrupten und inkompetenten Führung innerhalb des Innenministeriums: „Die Schlüsselpositionen werden nicht nach Qualifikation besetzt“, sagt er. Verwandte des einflussreichen Oligarchen Bidzina Iwanschwili (68) „oder Personen, die ihm einst die Hand geschüttelt haben, leiten die wichtigsten Bereiche.“
► Shaishmelashvili machte einen radikalen Schritt, veröffentlichte auf Facebook seine Kündigung und bat Innenminister Vakhtang Gomelauri, ihn aus familiären Gründen von seinem Amt zu entbinden. „Die Situation wurde unerträglich“, sagte er zu BILD.
Drohungen gegen die Familie
Doch nach seiner Kündigung geriet der Familienvater selbst ins Visier. „Der stellvertretende Minister nannte mich einen Verräter“, sagt er. Seine Familie wurde bedroht. „Ich kenne die Methoden dieser Leute, ich weiß, wozu sie fähig sind.“
Für ihn war klar: Er musste das Land verlassen, um seine Familie zu schützen.
Für sein Land hat Shaishmelashvili dennoch Hoffnung. „Die Polizei dachte, sie könnten die Demonstranten mit Wasserwerfern einschüchtern. Doch das Gegenteil war der Fall: Noch mehr Menschen gingen auf die Straße.“
Er selbst wird von Schuldgefühlen geplagt. „Ich entschuldigte mich dafür, dass ich 22 Jahre lang dachte, ich würde für die Sicherheit der Bevölkerung Georgiens arbeiten. Doch am Ende war das Wohlergehen der Oligarchen wichtiger als das des Staates.“