Vielfältige Chefetage

Führungskräfte in der Politik mussten schon immer mit Kritik von allen Seiten leben, das gehört sozusagen zum Berufsrisiko. Doch in der digitalen Welt komme noch die Sorge vor „Shitstorms und Beurteilungen der gnadenlosen Art“ dazu, sagte die CDU-Politikerin Julia Klöckner auf der „Better Future Conference“ von WELT AM SONNTAG. Kommende Generationen würden sich fragen, ob sie sich so etwas noch antun wollen. „Da bemerken wir schon einen Rollback“, meinte die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Häufig sei dies bei jungen Frauen der Fall.

Doch wie wichtig ist Vielfalt unter den leitenden Mitarbeitern – in der Politik wie auch in Unternehmen? Wie führt man in Zeiten des Umbruchs, und warum erzielen gemischte Teams bessere Ergebnisse? Darum ging es bei der „Better Future Conference“. Die neunte Ausgabe der Konferenz widmete sich erstmals dem Thema „Mixed Leadership“. Entscheider aus allen Bereichen der Gesellschaft diskutierten im Berliner Verlagshaus von Axel Springer über moderne Führungsprinzipien.

Vielfalt meint nicht nur die Geschlechter

Es ging dabei nicht nur um den Anteil von Frauen oder Männern, sondern auch um Alte und Junge, Menschen mit Migrationshintergrund, mit Behinderung und um soziale Aufsteiger unter den Mitarbeitern. Denn der Mix aus alldem bringe Stärke in Führungsteams, sagte die Moderatorin Inga Michler bei der Begrüßung der Konferenzgäste. Eine Studie des Beratungsunternehmens McKinsey habe zuletzt gezeigt, dass europäische Unternehmen mit gemischten Teams eine über 60 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit haben, überdurchschnittlich profitabel zu sein.

Doch nur etwa jeder vierte Arbeitnehmer hat Lust darauf, im Job eine Führungsposition zu übernehmen. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag von WELT AM SONNTAG. Demnach ist der Wunsch nach einem Chefposten bei lediglich 27 Prozent der 2500 befragten Angestellten und Studenten vorhanden. Eine Mehrheit von 57 Prozent hegt hingegen nur einen geringen oder gar keinen Wunsch auf eine berufliche Führungsposition. 16 Prozent sind laut der Erhebung unentschieden.

Gemischte Teams sind erfolgreicher

Die Bereitschaft, auf der Karriereleiter nach oben zu kommen, scheint demnach nicht sehr ausgeprägt zu sein. Aber es könne schließlich nicht jeder in einem Betrieb eine Führungsposition haben, sagte Civey-Gründerin Janina Mütze in ihrem Impulsvortrag auf der Konferenz. Wer allerdings nach oben will, sollte sich Gedanken darüber machen, wie die Position ausgestaltet wird.

Denn beispielsweise bei Verhandlungen würden gemischte Teams aus Männern und Frauen die besseren Ergebnisse erzielen, betonte Martina Pesic, Expertin im Bereich der Verhandlungsführung. Sie hielt die Eröffnungsrede und appellierte an das Publikum: „Seien Sie mutig, lassen Sie Diversität zu.“ Dafür müssten viele Führungskräfte allerdings Vorurteile abbauen, hieß es häufig in den Panels und Vorträgen an diesem Nachmittag. Viele Chefetagen seien auch heute noch zu einseitig besetzt.

„Man kann nicht allen gefallen“

Sie sei in sehr konservativen Strukturen mit dominanten Charakteren aufgewachsen, erzählte Isabel Grupp, Geschäftsführerin des Kunststoffherstellers Plastro Meyer, in der anschließenden Gesprächsrunde mit dem Titel „Wie Führung in Zeiten des Umbruchs gelingt“. „Unterschätzt zu werden ist genial für jede Frau, das muss man nur nutzen“, sagte sie. Als Führungskraft in schwierigen Zeiten müsse man dann authentisch und empathisch sein. Natalya Nepomnyashcha vom Netzwerk Chancen und Nadine Schönwald vom Personaldienstleister The Adecco Group ergänzten, dass Unternehmen bei der Auswahl von neuen Mitarbeitern noch viel zu sehr auf stereotype Muster und „gerade Lebensläufe“ setzen würden.

Einen weiteren Tipp für angehende Führungskräfte hatte übrigens Julia Klöckner parat. Man könne nicht allen gefallen, sagte sie und stellte die – rhetorische – Frage: „Wann gab es einen Politiker, der bei allen Zielgruppen super ankommt?“ Denn ein Bundeskanzler müsse weder cool sein noch super bei Frauen ankommen, er sollte einfach das Land gut regieren.