Realitätsverlust? Wunschdenken? Kaum macht Boris Pistorius (64, SPD) nach mehr als zwei Wochen geräuschvollen Zögerns endlich den Weg frei, wird Olaf Scholz (66, SPD) von seinem getreuesten Talkshow-Gefolgsmann Karl Lauterbach (61, SPD) gleich wieder über den Klee gelobt und gepriesen.

Bei Maybrit Illner (59) drückte der Gesundheitsminister jetzt besonders kräftig die Brust raus: „Olaf Scholz ist ein erfolgreicher Bundeskanzler, der derzeit unterbewertet wird!“ Die vielen Zweifel aus der eigenen Partei dagegen redete Lauterbach mikroskopisch klein: „Wir haben da ein paar Tage jetzt Stimmen gehabt im Wesentlichen aus der dritten Reihe.“

Scholz „steht da als Abbruchmeister“

Lauterbachs kühnes Lob: „Olaf Scholz ist ein sehr starker Kandidat, der wirklich von den Entscheidungsträgern, die um den Prozess herum sind, nie infrage gestellt worden war.“

Widerspruch! „Das waren nicht nur ein paar Hinterbänkler“, korrigierte „Spiegel“-Autor Markus Feldenkirchen. „Es gibt sehr, sehr viele von der Basis, die sagen: Wie wollen wir für diesen Kanzler Wahlkampf machen? Er steht da als Abbruchmeister, die Regierung ist gescheitert, er hatte Führung versprochen.“

Lauterbach: „Wir werden einen anderen Olaf Scholz sehen“

Die Expertise des Journalisten: „Der beliebteste Politiker Deutschlands und der unbeliebteste Kanzler aller Zeiten: Das ist schon eine Feinschmecker-Entscheidung, die die SPD da getroffen hat.“

Lauterbachs setzte das Prinzip Hoffnung dagegen: „Ich glaube, dass Olaf Scholz im Wahlkampf eine ganze andere Sprache sprechen wird, dass er auch viel offensiver, viel klarer die Bevölkerung ansprechen wird. Wir werden einen anderen Olaf Scholz sehen. Ich kenne ihn sehr gut. Er kann anders!“

Dobrindt: Debatte noch nicht beendet

„Die Debatte in der SPD ist natürlich noch nicht beendet“, sagte Unionsfraktionsvize Alexander Dobrindt (54, CSU) voraus. „Möglicherweise beginnt sie erst auch noch richtig, weil hier eine Entscheidung getroffen wird, die von weiten Teilen der Parteibasis nicht geteilt wird.“

Dobrindts Prognose: „Boris Pistorius wird vielleicht in den nächsten Tagen ein noch größeres Problem für die SPD werden.“ Lauterbachs Ankündigung eines „anderen Olaf Scholz“ schreckte den Oppositionspolitiker wenig: „Die Menschen kennen Olaf Scholz. Da ist es mit Sicherheit nicht so, dass es neue Erkenntnisse braucht.“