„Achtung! Raketengefahr in der gesamten Ukraine!“,
warnt die ukrainische Luftwaffe am Montagmorgen im Onlinedienst Telegram. In
weiten Teilen der Ukraine haben die Behörden den Luftalarm ausgelöst,
die Einwohner aufgerufen, in Bunker und andere sichere Orte zu fliehen. Dazu
wurde in bedrohten Gebieten der Strom ausgeschaltet, da weitere Angriffe auf
die Kraftwerke befürchtet wurden. Mehrere russische Kampfflugzeuge, die weitreichende
Raketen und Marschflugkörper abschießen können, waren aufgestiegen. Bereits in
der Nacht zuvor hatten Russlands Streitkräfte den Süden der Ukraine attackiert.
Dabei starben nach ukrainischen Angaben mindestens sechs Menschen. Allein diese Woche macht deshalb deutlich, was fehlt: Die Ukraine
braucht dringend mehr Luftverteidigungssysteme aus dem Westen, um seine Städte zu
schützen.
Dazu benötigen die Verteidiger schwere Waffen und Munition, um
die in der Ostukraine an mehreren Stellen angreifenden russischen Truppen abzuwehren.
„Seit Monaten rücken sie Tag für Tag ein paar Kilometer vor, erobern Dorf um
Dorf, langsam, aber stetig, wenn auch unter großen Verlusten“, sagt der
sicherheitspolitische Experte und Oberst der Bundeswehr a. D. Wolfgang
Richter. „Es
steht zu befürchten, dass ihnen in absehbarer Zeit ein operativer Durchbruch
im Donbass gelingen könnte. Dann würde sich der Abnutzungskrieg
wieder zu einem Bewegungskrieg entwickeln und ein Großteil der Ostukraine
könnte an die Russen fallen.“
Trumps Wahlsieg ist für die Ukraine eine schlechte Nachricht
Schlechte Nachrichten aus dem Krieg sind die Ukrainer in den vergangenen
Monaten gewohnt. Aber nun kommt eine weitere Herausforderung dazu: Bislang sind die Vereinigten Staaten der wichtigste Lieferant von Waffen. Nach dem Wahlsieg von Donald Trump könnte sich das ändern. Trump will mit Russland verhandeln. Am Donnerstag soll der Republikaner bereits mit Wladimir
Putin, dem russischen Präsidenten, telefoniert haben. In dem Gespräch soll es,
so berichten es US-Medien, auch um mögliche Gebietsverluste der Ukraine
gegangen sein. Der Kreml hat das Telefonat dementiert.
Trump hat im Wahlkampf mehrfach angekündigt, er werde den
Krieg binnen 24 Stunden beenden. Seit Dienstag steht fest, dass er als 47.
Präsident der USA erneut ins Weiße Haus einziehen wird. Weniger klar ist, was
der Wahlsieg des Republikaners für die Ukraine bedeutet. Die Regierung in Kyjiw
muss aber in jedem Fall einpreisen, dass die Unterstützung der Vereinigten Staaten
geringer ausfallen dürfte. Und sie muss davon ausgehen, dass die Europäer die zurückgehenden
Waffen-, Munitions- und Materiallieferungen nicht kompensieren können oder wollen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beglückwünschte
Trump noch bevor seine Mehrheit eindeutig feststand. Er schrieb auf X, dass Trumps
Engagement für „Frieden durch Stärke“ einen „gerechten Frieden in der Ukraine näherbringen
kann“. Es sei sicherlich kein Zufall gewesen, dass Selenskyj zu den
ersten ausländischen Staats- und Regierungschefs gehörte, die Trump zu seinem
Sieg gratulierten, stellt Thomas Kleine-Brockhoff, Direktor der Deutschen
Gesellschaft für Auswärtige Politik aus Berlin, fest. „Niemand kann von einer guten Beziehung zu Trump mehr
profitieren, denn für Selenskyj steht viel auf dem Spiel, wenn man bedenkt,
dass Trump beabsichtigt, die US-Hilfe zu beenden und der Ukraine einen Frieden
aufzuzwingen, den viele als ungerecht und ungünstig ansehen.“