Nach der Wahl von Donald Trump zum nächsten Präsidenten der USA herrscht unter den EU-Regierungen Unsicherheit und Uneinigkeit über die künftige Zusammenarbeit mit den USA – auch in Bezug auf die Politik gegenüber der Ukraine. Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, den russischen Krieg gegen das Land vor allem dadurch beenden zu wollen, Druck auf die Ukraine auszuüben, um Zugeständnisse an Russland zu erzwingen. Dieses mutmaßliche Vorhaben Trumps ist nun Thema beim Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) in Budapest.
Gipfelgastgeber und Regierungschef Ungarns, Viktor Orbán, begrüßte in Budapest Trumps Wahlsieg. Er sehe jetzt eine Chance auf ein schnelles Kriegsende, sagte Orbán. Zugleich bezweifelte er, dass sich der US-Beitrag bei den internationalen Ukrainehilfen durch die EU ausgleichen ließe. Orbán hatte sich seit Kriegsbeginn immer wieder gegen Militärhilfen an das angegriffene Land und für Zugeständnisse an Russland ausgesprochen.
Von der Leyen ruft zu weiteren Ukraine-Hilfen auf
Gegensätzlich äußerte sich Belgiens Regierungschef Alexander De Croo. „Ich hoffe, dass wir ein offenes Gespräch mit den Vereinigten Staaten über die Fortsetzung ihrer Unterstützung führen können“, sagte er. „Aber wenn sie sich entscheiden sollten, ihre Haltung zu ändern, bedeutet das nicht, dass wir unsere Prioritäten ändern müssen.“ Schon jetzt komme die Hälfte der Militärhilfen an die Ukraine aus europäischen Ländern. „Die ganze Vorstellung, dass die Unterstützung für die Ukraine von den Vereinigten Staaten abhängt (…), ist nicht zutreffend.“
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verwies darauf, dass die EU unabhängig von den USA ein Interesse daran habe, die Ukraine zu unterstützen. „Es liegt in unserem gemeinsamen Interesse, dass wir nicht zulassen, dass der Nachbar den anderen tyrannisiert, sondern dass wir für Fairness und die Integrität der Länder sorgen und diese verteidigen“, sagte sie.
Macron fordert europäische Verteidigungsfähigkeit
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron forderte in diesem Zusammenhang ein stärkeres Auftreten der EU insgesamt und mehr Unabhängigkeit von den USA in der Sicherheitspolitik. „Trump wird die Interessen der Amerikaner verteidigen“, sagte Macron. „Die Frage ist, ob wir bereit sind, die Interessen der Europäer zu verteidigen.“
Die Europäer müssten dazu bereit sein, im übertragenen Sinne „Allesfresser“ zu werden, sagte der französische Staatschef weiter. „Die Welt besteht aus Pflanzenfressern und Fleischfressern. Wenn wir uns entscheiden, Pflanzenfresser zu bleiben, werden die Fleischfresser gewinnen, und wir werden ein Markt für sie sein.“
Von einer Abkehr von den USA warnte hingegen Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen. Es müsse alles getan werden, um ein gutes Verhältnis zu den USA aufrechtzuerhalten, vor allem bei der Zusammenarbeit innerhalb der Nato. „Das transatlantische Bündnis ist das wichtigste Bündnis für uns als Europäer“, sagte Frederiksen. Trump hatte in seiner ersten Amtszeit als Präsident sowie in den Jahren danach immer wieder das Bündnisversprechen innerhalb der Nato infrage gestellt. Dabei hat er Ländern, die aus seiner Sicht zu wenig in ihre Verteidigung investieren, angedroht, ihnen im Konfliktfall nicht beizustehen.
Selenskyj will konkrete Schritte Trumps abwarten
Dennoch äußerte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach einem Telefonat mit Trump die Hoffnung auf weitere US-Unterstützung. Man könne derzeit noch nicht wissen, wie Trump konkret handeln wolle, sagte er. Sein Gespräch mit Trump sei produktiv gewesen. Selenskyj nimmt ebenfalls an dem Gipfel in Budapest teil. Zur EPG gehören neben den 27 EU-Ländern auch weitere 20 europäische Staaten.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird hingegen erst am Freitag nach Budapest reisen. Der Bruch der Ampelkoalition am Mittwochabend hat seine Reisepläne verzögert. Sollte die EU ihre Ukrainehilfen an eine Kürzung der Unterstützung aus den USA anpassen wollen, würde Deutschland mutmaßlich eine Schlüsselrolle zukommen: Der deutsche Beitrag war dabei bislang der zweitgrößte nach dem der USA.