Nur wenig, was die Ampel derzeit an Gesetzesvorhaben auf dem Plan hat, findet breite Zustimmung. Eine Ausnahme ist das sogenannte Altersvorsorgedepot, das Finanzminister Christian Lindner (FDP) umsetzen will. Damit soll Aktien- und Investmentsparen zum Zweck der Altersvorsorge breit gefördert werden, und dies soll letztlich die weitgehend gescheiterte Riester-Rente ablösen. Wenngleich es hier und da Kritik an Details gibt, bewerten Finanzexperten, Verbraucherschützer und Ökonomen das Vorhaben gleichermaßen positiv.
Eine Kritik, die etwas grundsätzlicher ist, kommt nun allerdings vom Finanzdienstleister MLP. Im Gegensatz zur bisherigen Riester-Förderung würde eine Gruppe durch das Altersvorsorgedepot benachteiligt, sagt Miriam Michelsen, Leiterin Vorsorge bei MLP. „Insbesondere bei Familien mit Kindern und niedrigem Einkommen ist die neue Fördersystematik nachteilig gegenüber der bisherigen Regelung“, erklärt sie.
„In der bisherigen Regelung mussten vier Prozent des Vorjahreseinkommens in die Altersvorsorge eingezahlt werden, um eine ungekürzte Zulage zu erhalten.“ Das sehe mit dem Altersvorsorgedepot anders aus. „Es gilt dann: Wer wenig einzahlt, erhält auch entsprechend weniger Förderung.“
Konkret bekommt, wer vier Prozent des Einkommens in einen Riester-Vertrag einzahlt, derzeit eine Grundzulage von 175 Euro. Hinzu kommt eine Kinderzulage von 185 Euro für Kinder, die vor 2008 geboren wurden, und 300 Euro für Kinder, die 2008 oder später zur Welt kamen.
Beim Altersvorsorgedepot dagegen soll es für jeden gesparten Euro eine Grundzulage von 20 Cent geben, maximal 600 Euro pro Jahr. Pro Kind soll es zudem eine Zulage von 25 Cent für jeden gesparten Euro geben, gedeckelt bei 300 Euro pro Jahr. Geringverdiener sollen zusätzlich eine jährliche Bonuszulage von 175 Euro und Berufseinsteiger unter 25 über drei Jahre hinweg jährlich 200 Euro als Einstiegshilfe erhalten.
Diskrepanz wird bei kinderreichen Haushalten noch größer
Ein Rechenbeispiel zeigt den Unterschied. So muss ein alleinerziehender Elternteil mit zwei Kindern, die nach 2008 geboren wurden, und einem Bruttoeinkommen von 35.000 Euro pro Jahr 1400 Euro in einen Riester-Vertrag einzahlen. „Davon entfallen 625 Euro auf den selbst zu zahlenden Eigenbeitrag, den größeren Teil macht mit 775 Euro die staatliche Gesamtförderung aus“, sagt Michelsen.
Im neuen Altersvorsorgedepot käme zu demselben Eigenbeitrag von 625 Euro dagegen nur eine staatliche Förderung von 437,50 Euro obendrauf. Der Gesamtbeitrag läge mit 1062,50 also entweder deutlich niedriger als bisher oder der Eigenanteil müsste deutlich erhöht werden, um auf den gleichen Sparbetrag zu kommen. „Bei Haushalten mit noch mehr Kindern wird die Diskrepanz noch wesentlich höher.“
Dies ist insbesondere deshalb ein Problem, weil gerade Haushalte mit niedrigeren Einkommen in den vergangenen Jahren ohnehin weniger für den Ruhestand zurückgelegt haben, wie eine Untersuchung des ZEW im vergangenen Jahr zeigte. Demnach konnten aufgrund der Corona-Pandemie und der folgenden Inflation 43,1 Prozent der Personen mit einem Einkommen unter 2000 Euro weniger für das Alter sparen, bei einem mittleren Einkommen traf dies auf 31,6 Prozent zu und bei jenen mit einem Einkommen über 3500 Euro auf 19,9 Prozent. Viele mussten sogar bestehendes Sparvermögen auflösen.
Michelsen regt daher an, für Menschen mit geringen Einkommen das Sparen über das geplante Altersvorsorgedepot noch attraktiver zu machen. „Ein Ansatzpunkt könnte sein, für diese Zielgruppe die Zulagen in maximaler Höhe unabhängig von den eingezahlten Beiträgen zu gewähren“, sagt die Expertin. Allerdings ist nach wie vor fraglich, ob die Koalition dieses Projekt überhaupt noch umsetzen kann.
Frank Stocker ist Wirtschafts- und Finanzkorrespondent in Frankfurt. Er berichtet über Geldanlage, Finanzmärkte, Konjunktur und Zinspolitik. Zudem hat er mehrere Bücher veröffentlicht.