Als Robert Habeck (55, Grüne) den Airbus A321 der Luftwaffe betritt, ist er bester Stimmung. Gerade eben hat der Wirtschaftsminister seine Pläne für einen milliardenschweren „Deutschland-Fonds“ öffentlich verkündet.
Habeck ist in Plauderlaune. Ein verbindliches „Hallo, wie geht’s?“ hier, ein „Schön, Sie zu sehen“ da. Es ist Mittwochnachmittag, gleich hebt die Maschine Richtung Indien ab. Habeck, der Minus-Wirtschaftsminister (zwei Jahre Rezession in Folge) fliegt ins Wachstumsland. Indiens Firmen boomen, die Wirtschaft legt um beeindruckende acht Prozent zu.
Die Reise passt dem Grünen-Politiker gut ins Konzept. Habeck will Kanzler werden, ist bei den meisten Deutschen aber unten durch (nur Platz 16 im INSA-Politikerranking). Da braucht er die Bilder im Ausland wie Fußballer den Tor-Rausch.
Und es braucht jetzt auch konkrete Pläne, wie die deutsche Wirtschaft endlich wieder Tritt fassen kann. Dafür, so glaubt Habeck, hat er gerade einen wichtigen Beitrag geleistet – vielleicht sogar den entscheidenden. Der „Deutschland-Fonds“ ist sein Fundament für neues Wachstum in Deutschland. Milliarden neue Schulden (entweder Sondervermögen oder Schuldenbremse aufweichen) für mehr Investitionen, neue Jobs – und bessere Kanzler-Chancen.
Die gute Laune hat noch einen Grund: Habeck weiß, dass er mit diesem Vorstoß seinen Widersacher Christian Lindner (45, FDP) richtig auf die Palme bringen kann. Und so ist es auch. Als Habeck abends irgendwo über der arabischen Halbinsel schwebt – aus dem grauen Anzug ist er mittlerweile in einen grauen Kapuzenpulli geschlüpft – schlägt Lindner zurück. Aus den USA via TV! Habecks Vorschlag sei „ein Hammer“, der Grüne wolle eine völlig andere Wirtschaftspolitik, grollt Lindner.
In Indiens Hauptstadt Neu-Delhi ist es heiß, mittags bis zu 35 Grad. Die Luft ist trocken, voller Staub und Dreck. Für die deutsche Hockey-Nationalmannschaft ist das Spiel gegen Indien daher eine große Herausforderung. Nach dem 3. Viertel liegt sie 1:4 hinten. Habeck hat das Spiel bislang gesehen, danach verlässt die Delegation das Stadion zum nächsten Termin.
Habeck ballt später die „Becker-Faust“, er ruft aufgekratzt: „Wir haben gewonnen!“ Und Richtung BILD-Reporter: „Niemals aufgeben – wie im Wahlkampf!“ Gewonnen haben die Deutschen aber nicht das Spiel, das Habeck verfolgt hat (3:5), sondern das Spiel vom Vortag (2:0). Deshalb gibt es ein Penalty-Schießen – die Deutschen gewinnen.
Der Wirtschaftsminister ist erkennbar froh, dass er für ein paar Tage dem Konjunkturfrust und Ampel-Zoff zu Hause entfliehen kann. Hier in Indien will er sich um neue Aufträge für deutsche Firmen kümmern (zahlreiche Bosse begleiten ihn). Er nimmt zusammen mit Kanzler Olaf Scholz (66, SPD) an der Asien-Pazifik-Konferenz teil. Und er will das deutsch-indische Freihandelsabkommen voranbringen. Schließlich wird daran seit 2007 gearbeitet.
Und ganz nebenbei will Habeck natürlich Kontakte knüpfen. Indien, eine Demokratie, soll ein noch wichtigerer Partner für Deutschland werden. Und China, eine Diktatur, den Rang ablaufen. Für einen, der Bundeskanzler werden will, ist es daher geradezu Pflicht, hier gut vernetzt zu sein.
Habeck weiß, dass er dazu gute Fotos für die Heimat produzieren muss. Und so lässt er sich und die Delegation (in Autos mit Verbrenner-Motor) anderthalb Stunden durch den Smog-Verkehr von Neu-Delhi zu einer U-Bahn-Station fahren. Dort steigt er mit Indiens Handelsminister Piyush Goyal in die Bahn für eine 10-Minuten-Fahrt wieder zurück. Fotos werden geschossen. Dann steigen die beiden Politiker und der Tross wieder aus. So geht grüne PR…
Die Bilder aus der U-Bahn werden zu Hause ohnehin kaum zur Kenntnis genommen. Der Ampel-Streit hat eine neue Eskalationsstufe erreicht: Finanzminister Lindner hat Wirtschaftsführer für nächsten Dienstag zu einem Gipfeltreffen geladen. Eine Provokation für Habeck, eine volle Breitseite gegen den Kanzler, der wenige Stunden später ebenfalls mit Wirtschaftsbossen tagt.
Zum Abschluss seiner Reise am Samstagnachmittag spricht Habeck bei der Asien-Konferenz ein Schlusswort: „Wir glauben an die Kraft der Menschen.“ So viele Momente habe es in den vergangenen Tagen gegeben, in denen Habeck „wahre Freundschaft“ gespürt habe.
Wenig später hebt Habeck mit der Bundeswehr-Maschine ab Richtung Berlin. Zurück in das Land, das er im nächsten Jahr regieren möchte. In dem er aktuell aber nicht so richtig viele Freunde hat …