Arbeit muss sich lohnen! Ein Gefühl, das fast jeder siebte Vollbeschäftigte in Deutschland nicht kennt. Denn am Zahltag haben sie nur Niedriglohn auf dem Konto.
Das geht aus der Antwort des Bundesministeriums für Arbeit auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Susanne Ferschl (51, Linke) hervor.
Die Politikerin erkundigte sich, wie viele Deutsche für weniger als zwei Drittel des bundesweiten Median-Bruttoverdienstes arbeiten und damit für Niedriglohn.
Der Median-Bruttoverdienst liegt genau in der Mitte aller Einkommen und beträgt aktuell 19,56 Euro. Die Niedriglohnschwelle beginnt also bei 13,04 Euro und damit 63 Cent über Mindestlohn.
Im Osten mehr Niedriglohn als im Westen
Laut den Zahlen aus dem Haus von Hubertus Heil (51, SPD) verdienen 15,3 Prozent der Vollbeschäftigten 13,04 Euro oder weniger (Stand: 31. Dezember 2023).
Im Westen ist die Zahl der Niedriglohnempfänger geringer (13,8 Prozent) als im Osten (22,2 Prozent).
Auch zwischen den Bundesländern gibt es zum Teil beachtliche Unterschiede. In Mecklenburg-Vorpommern ist der Anteil der Geringverdiener mit 26,6 Prozent mehr als doppelt so hoch wie in Hamburg (11,5 Prozent).
Auch das Geschlecht spielt eine Rolle. 20,8 Prozent der Frauen müssen sich mit einem niedrigen Lohn begnügen. Bei Männern sind es nur 12,6 Prozent.
Ausbildung macht sich bezahlt. Bei Beschäftigten ohne Berufsausbildung verdient mehr als jeder Dritte (36,1 Prozent) Niedriglohn. Bei einer anerkannten Berufsausbildung (Facharbeiter) sinkt der Anteil auf 14 Prozent, bei einer anerkannten akademischen Berufsausbildung (Studium) auf 4,2 Prozent.
Gastgewerbe zahlt besonders schlecht
Im Gastgewerbe bekommt mehr als die Hälfte (51,8 Prozent) nur Niedriglohn. Bei Hauspersonal sind es 47,9 Prozent, bei Beschäftigten in Land- und Forstwirtschaft oder Fischerei 42,5 Prozent. „Deutschland und vor allem Ostdeutschland haben einen großen Niedriglohnsektor“, sagt Susanne Ferschl. Der Trend sei durch die Erhöhung des Mindestlohns nur kurz gestoppt worden.
Dass der Anteil in den Ost-Ländern am höchsten ist, erklärt die Bundestagsabgeordnete damit, dass die Region Deutschlands „Billiglohnland“ ist. „Unternehmen aus dem Westen unterhalten im Osten nicht selten Standorte mit deutlich niedrigeren Löhnen.“
Susanne Ferschls Lösung: ein höherer Mindestlohn. „Eine EU-Richtlinie schlägt hier 60 Prozent des mittleren Einkommens vor.“
Dass neben Mecklenburg-Vorpommern auch Thüringen, Sachsen und Brandenburg am Ende der Tabelle stehen, schlage sich auch im Ergebnis der jüngsten Landtagswahlen nieder. Ferschl: „Wenn Menschen niedrigen Löhnen und schlechten Arbeitsbedingungen ausgeliefert sind, nimmt die Tendenz zu, extremistische Parteien zu wählen.“