Seine Militärkommandeure rieten ihm zur Zurückhaltung, doch Hassan Nasrallah, der von der israelischen Armee inzwischen ausgeschaltete Anführer der Hisbollah, bestand darauf: Der Beschuss auf Israel sollte weitergehen.
Nach BILD-Informationen aus westlichen Sicherheitskreisen gab es im Führungszirkel der Organisation bereits seit Monaten Diskussionen über den weiteren Kurs.
Am 8. Oktober, einen Tag nachdem die Hamas im Süden Israels mehr als 1000 Menschen ermordete und 250 verschleppte, begann die Hisbollah mit dem Beschuss der Ortschaften im Norden Israels. Seitdem feuerte sie tausende Raketen aus dem Libanon auf israelische Dörfer und Städte, zwang 60.000 Israelis zur Flucht.
Die israelische Luftwaffe flog seitdem immer wieder Angriffe auf Hisbollah-Stellungen, tötete deren Kämpfer, jagte Waffenlager und Kommandoposten in die Luft.
Dennoch feuerte die Hisbollah jeden Tag weiter Drohnen und Raketen auf kleinere Ortschaften in Nord-Israel, erklärte immer wieder, militärische Ziele anzugreifen. Größere Städte wie Haifa wurden zunächst nicht beschossen – die Islamisten fürchteten offenbar, Israel damit zu einer stärkeren Reaktion zu zwingen.
Dieser „Abnutzungskrieg“ war aus Sicht der Hisbollah zunächst erfolgreich: Mehrere zehntausend Israelis mussten aus ihren Heimatorten fliehen, auch der wirtschaftliche Schaden war erheblich.
Als die Verluste der Hisbollah bereits deutlich dreistellig waren und die israelische Luftwaffe immer größere Erfolge erzielte, versuchten mehrere hochrangige Militärkommandeure der Organisation auf Nasrallah einzuwirken.
Der Beschuss sollte abnehmen oder gänzlich pausieren. Andernfalls würde die israelische Armee zu immer massiveren Aktionen greifen, die der Hisbollah schweren Schaden zufügen könnten, so die Befürchtung der Kommandeure, die Nasrallah warnten.
Der Hisbollah-Chef jedoch hielt an der Strategie des begrenzten Beschusses auf Nord-Israel fest. Seine Bedingung für eine Einstellung der Angriffe: Ein Abzug der israelischen Armee aus Gaza. Somit kettete er sein Schicksal an den Krieg der palästinensischen Hamas gegen Israel.
Bei den Beratungen soll Nasrallah auch direkt in die Angriffsplanungen involviert gewesen sein, nahezu jede Woche traf er sich persönlich mit Ali Karaki – dem Befehlshaber der Hisbollah für die südliche Front – und dessen Stellvertretern.
Die Organisation dieser persönlichen Treffen war nach BILD-Informationen aus Sicherheitsgründen enorm aufwendig: Während der Schutz der meisten Kommandeure durch die Sicherheitseinheit der Hisbollah organisiert wurde, wurde Nasrallah durch ein unabhängiges Sicherheitsteam geschützt, das die Kommandeure ohne deren Personenschützer zu den Treffen mit Nasrallah schleuste.
Am 27. September kam es zum letzten Treffen zwischen Nasrallah und seinen Militärs: Die israelische Luftwaffe schaltete bei ihrem massiven Angriff neben Nasrallah auch Ali Karaki und weitere Kommandeure aus.