Aus zwei mach drei mach vier. Die Zahl der Kanzlerkandidaten wächst und wächst.

Seit Gründung der Bundesrepublik lieferten sich immer nur Union und SPD einen Zweikampf ums Kanzleramt. Dann stiegen im Bundestagswahlkampf vor drei Jahren auch die Grünen in das Rennen um den mächtigsten Job ein. Jetzt zieht die AfD nach. Und so gibt es zum allerersten Mal vier Kanzlerkandidaten.

Die Folge: Es wird kompliziert. Und auch giftiger, weil die Kanzlerkandidaten in drei Richtungen austeilen müssen. Hermann Binkert, Chef des Meinungsforschungsinstituts INSA, zu BILD: „Vier Kandidaten splitten die Stimmen innerhalb ihrer jeweiligen Lager auf. Das heißt: Neben der Auseinandersetzung zwischen Scholz und Merz konkurrieren beide jeweils noch mit Habeck und Weidel im linken bzw. rechten Lager. Das dürfte für eine erhebliche Zuspitzung im Wahlkampf führen.“

Am klarsten ist das Verhältnis zwischen Kanzler Olaf Scholz (66, SPD) und Unions-Herausforderer Friedrich Merz (68, CDU). Für beide gilt: Sieg oder Ende der Polit-Karriere. Dass einer von beiden Minister unter dem anderen wird – ausgeschlossen.

Dazu kommt: Sie halten sich gegenseitig für komplett ungeeignet und werden sich im Wahlkampf nichts schenken. Scholz positioniert sich als Kämpfer für stabile Renten und sichere Industriearbeitsplätze. Merz setzt auf das Thema Migration und Stärkung der Wirtschaft, kündigte als Erstes eine Steuersenkung für Unternehmen an.

Um eine Koalitionsaussage drücken sich beide. Weil die Ampel so krachend unbeliebt ist, redet Scholz nicht mehr von einer Fortführung. Er will nur noch die SPD stark machen.

Merz hat ein Grünen-Problem. Schon allein um nach der Wahl mehrere Koalitionsoptionen zu haben, will er nichts ausschließen. Die CSU aber beharrt auf ihrem Veto gegen die Ökopartei.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (54) zu BILD: „Die Grünen betreiben eine Politik der Bevormundung und der Umerziehung. Das führt zu Recht zu Ablehnung und gesellschaftlicher Spaltung. So eine Partei kann kein Partner für uns sein.“

Habeck will den Titel

Wirtschaftsminister Robert Habeck (55, Grüne) will trotz Umfrageabsturz den Titel Kanzlerkandidat haben. Allerdings rutscht er in der Zustimmung weiter ab. Wenn die Bürger den Kanzler direkt wählen könnten, würden sich laut INSA-Umfrage für Merz 31 Prozent entscheiden (–4 % im Vergleich zur Vorwoche), für Scholz 23 Prozent (+4 %), für Habeck nur 13 Prozent (–3 %).

Habecks Strategie: Die Grünen weg vom Verbotsimage zu bekommen, beim Thema Migration nach rechts zu rücken. Als zweite Machtoption schielt er Richtung Schwarz-Grün, um die Partei in der Regierung zu halten.

AfD-Kandidatin Alice Weidel (45) hat keine Chance, ins Kanzleramt einzuziehen, weil alle anderen Parteien eine Koalition mit der rechtsextremen Partei ausschließen. Für Weidel ist die Kandidatur mehr ein Kick für die eigene Karriere. Sie bringt sich als die Nummer eins in der Partei in Stellung, könnte nach der Wahl die Partei allein führen.