1995 hatte Jean-Marc Bosman erstritten, dass Spieler nach Vertragsende ablösefrei wechseln dürfen. Eine Revolution im Fußball. 29 Jahre später sorgt ein weiteres Urteil für Aufsehen…

Einige Transfer-Vorschriften der Fifa verstoßen gegen EU-Recht. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Freitag entschieden. Laut dem Urteil sind die Freizügigkeit der Spieler und der Wettbewerb zwischen den Vereinen eingeschränkt.

Die große Sorge im europäischen Fußball: Hat das Urteil so schwere Folgen wie Bosman? Bricht sogar der Transfermarkt zusammen?

BILD erklärt das Urteil!

Auslöser ist der französische Ex-Profi Lassana Diarra (39/u.a. Real, PSG). Der hatte 2014 Lokomotive Moskau trotz langfristigen Vertrags nach einem Jahr verlassen. Der Klub verklagte Diarra, der Spieler wurde zu einer Strafe von zehn Millionen Euro verurteilt.

Sein belgischer Wunschklub Charleroi verzichtete auf einen Transfer, weil ihm nach bisheriger Fifa-Regelung auch Strafzahlungen drohten. Diarra klagte daraufhin auf Entschädigung. Das belgische Gericht verwies den Fall an den Europäischen Gerichtshof.

Was wird sich ändern?

Laut EuGH gehen die bisherigen Fifa-Regelungen zu weit. Bei vier Punkten gibt es Änderungen.

Frank Rybak, Justiziar der deutschen Spielergewerkschaft (VDV) klärt in BILD auf: „Erstens: Bislang ist der aufnehmende Verein gesamtschuldnerisch in der Haftung für die Entschädigung, die ein Spieler an seinen alten Verein zahlen muss, wenn er vertragsbrüchig wird. Diese pauschale Mithaftung des neuen Vereins wird es nicht mehr geben. Zweitens: Der aufnehmende Verein wird nicht mehr beweisen müssen, dass er den Spieler nicht zum Vertragsbruch angestiftet hat, um – Beispiel 1. FC Köln – nicht von der Fifa mit einer Transfersperre sanktioniert zu werden. Drittens: Die Berechnung der Entschädigung, die ein Spieler an seinen alten Verein zahlen muss, wird transparenter. Viertens: Im Fall von Vertragsstreitigkeiten zwischen dem Spieler und seinem alten Verein kann die Fifa die Registrierung bzw. Spielberechtigung für den neuen Verein bis zu einer Klärung vor dem Fifa Football Tribunal verhindern. Hier wird es eine Neuregelung geben, die klar regelt, wann eine schnelle Registrierung des Spielers zu erfolgen hat.“

Hätte z.B. Jonathan Tah nach dem neuen Urteil auch gegen den Willen von Leverkusen zu den Bayern wechseln können?

Sportrechtler Martin Stopper erklärt: „Arbeitsverhältnisse bleiben wie im richtigen Leben über die gesamte Laufzeit gültig, dürfen vom Spieler nicht ohne Grund gekündigt werden. Andernfalls muss er eine Entschädigung an seinen alten Verein zahlen.“

Was bedeutet das Urteil für den Transfermarkt?

Stopper: „Das Transfersystem bricht durch das EuGH-Urteil nicht zusammen. Das Abschreckungssystem der Fifa, insbesondere dem aufnehmenden Verein damit zu drohen, dass er für etwaige Schadensersatzansprüche des alten Klubs mithaftet und das Verbot an den abgebenden Verband, bei unklaren Rechtslagen keine Transferfreigabe erteilen zu dürfen, ist nicht mehr haltbar. Damit wird die Hemmschwelle für Spieler, sich über eine außerordentliche Kündigung aus einem Vertrag zu verabschieden, natürlich abgesenkt! Damit werden einerseits Spielerrecht gestärkt, andererseits aber auch die Gefahr erhöht, dass sich Spieler in missbräuchlicher Weise Kündigungsgründe erfinden, die sie vielleicht gar nicht haben.“

Ab wann gilt das Urteil?

Ab sofort! Der EuGH-Urteil ist bindend für alle EU-Länder. Die Brexit-Briten müssen sich nicht daran halten. Jetzt liegt es an den nationalen Verbänden, ihre Transfer-Regeln anzupassen. Der konkrete Fall Diarra geht zurück an die belgische Justiz, die über eine Entschädigung für dessen entgangenen Charleroi-Vertrag entscheiden muss.

Wie reagiert die DFL?

In einer Erklärung der Liga heißt es, die „angegriffenen Fifa-Regularien, die als nicht europarechtskonform angesehen werden, betreffen unmittelbar nur internationale Transfers“. Die Fifa sei „nun angehalten, auf Grundlage der Urteilsbegründung und in Konsultation mit Ligen und Spielergewerkschaften Änderungen an den internationalen Transferregularien zu erarbeiten“.

Die Fifa spricht nicht von einer Niederlage, erklärt nur: „Die Fifa ist davon überzeugt, dass die Rechtmäßigkeit der wichtigsten Grundsätze des Transfersystems durch das heutige Urteil erneut bestätigt wurde. Das Urteil stellt lediglich zwei Absätze von zwei Artikeln des Reglements über den Status und den Transfer von Spielern infrage, wobei nun das nationale Gericht aufgefordert ist, dies zu prüfen.“