Scholz spricht Machtwort – Deutschland wird gegen EU-Strafzölle auf E-Autos stimmen

Deutschland will am Freitag in Brüssel gegen EU-Strafzölle auf chinesische Elektroautos stimmen. Das berichten die Nachrichtenagenturen Reuters und dpa unter Berufung auf Regierungskreise. Nach Unstimmigkeiten in der Ampel-Koalition wolle Kanzler Olaf Scholz (SPD) demnach von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen. Damit würde Scholz für sich das letzte Wort in Anspruch nehmen. Die grünen Ministerien akzeptierten diesen Schritt, hieß es weiter.

Zuvor hatten sich Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen gegen ein Nein ausgesprochen. FDP-Chef Christian Lindner plädierte für ein Nein. Bei einer früheren Abstimmung in Brüssel hatte sich Deutschland wegen der Unstimmigkeiten in der Ampel-Regierung noch enthalten. Der Regierungssprecher wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

Die EU-Mitglieder wollen am Freitag darüber abstimmen, ob in den nächsten fünf Jahren zusätzliche Zölle für E-Autos aus China erhoben werden. Die vorgeschlagenen Zölle reichen von 7,8 Prozent für Autos von Tesla, die in China gebaut wurden, bis zu 35,3 Prozent für die vom chinesischen Autokonzern SAIC und anderen Herstellern.

Betroffen davon sind auch die deutschen Autobauer, die Fahrzeuge wie den elektrischen Mini von BMW oder das Volkswagen-Modell Cupra Tavascan aus der Volksrepublik importieren. Die Abgaben kommen zu den üblichen EU-Importzöllen von zehn Prozent für Autos hinzu und würden ab Ende Oktober greifen, wenn in der EU nicht noch eine qualifizierte Mehrheit dagegen votiert.

Das gilt allerdings als unwahrscheinlich, weil Insidern zufolge Frankreich, Italien, Polen und Griechenland mit zusammen 39 Prozent der Bevölkerung für die Abgaben votieren wollen. Für eine qualifizierte Mehrheit sind mindestens 15 Länder nötig, die zusammen auch 65 Prozent der EU-Bevölkerung stellen.

Lindner hatte von Scholz „eine klare Ansage“ gefordert

Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte gefordert, der Kanzler müsse im Zweifel „eine klare Ansage“ machen. Er argumentierte, dass Deutschland und die EU sich durch einen Handelskrieg mit China selbst schadeten. Die Autohersteller aus Deutschland lehnen die Zölle strikt ab, weil sie Vergeltungsmaßnahmen des für sie wichtigen Absatzmarktes fürchten. Die Befürworter von Strafzöllen argumentieren, dass China sich nur bewegen würde, wenn man eine harte Haltung zeige.

Aus Kreisen des Wirtschaftsministeriums hieß es, Ziel sei ein fairer Wettbewerb und kein Handelskrieg. Damit die EU ihre Verhandlungsmacht voll nutzen könne, wäre ein anderer Weg als ein Nein zu Strafzöllen besser gewesen. Dennoch trage Wirtschaftsminister Habeck die Entscheidung von Kanzler Scholz mit. „Das ist an der Stelle aber keine Glaubensfrage, sondern eine der politischen Taktik, wie Europa am besten verhandeln kann“, hieß es. Es müsse eine Verhandlungslösung geben, die die Interessen Deutschlands und der EU wahre.

Auch Scholz hatte am Mittwoch in einer Rede in Berlin gefordert, dass die Verhandlungen mit China in Bezug auf Elektrofahrzeuge weitergehen müssten. Zugleich hatte der Kanzler die EU-Kommission aufgefordert, dass sie „endlich dort anpackt, wo chinesische Billigimporte unserer Wirtschaft tatsächlich schaden, beispielsweise beim Stahl“. Dort beklagen die EU-Staaten Dumping durch chinesische Stahl-Importe. Der Kanzler hatte seine Richtlinienkompetenz auch beim Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco in eine der vier Betreibergesellschaften des Hamburger Hafens geltend gemacht und sich über Einwände der Koalitionspartner hinweggesetzt.

Die EU-Kommission begründet die Zölle damit, dass Elektroautobauer in China von Subventionen profitierten und deswegen ihre Fahrzeuge günstiger herstellen könnten als Autobauer in der Europäischen Union. Damit drohten den heimischen Herstellern Schäden. Die EU-Kommission hat zugleich deutlich gemacht, dass sie weiterhin mit der chinesischen Regierung über eine politische Lösung verhandeln will. Insidern zufolge könnte es dabei um Mindestpreise für Importfahrzeuge oder Investitionen in der EU gehen.