In Russland sind infolge mutmaßlicher ukrainischer Drohnenangriffe zwei weitere Treibstofflager in Brand geraten. Dabei handelt es sich um Depots in der südrussischen, an die Ukraine angrenzenden Region Rostow und Kirow östlich von Moskau.
Kirows Gouverneur Alexander Sokolow meldete am Morgen den Einschlag einer Drohne in einen „Lagertank für Ölprodukte“ nahe der Stadt Kotelnitsch. Später schrieb er, das Depot sei von fünf Drohnen angegriffen worden, von denen zwei abgeschossen worden und drei dort eingeschlagen seien. Die von den Angriffen ausgelösten Feuer seien gelöscht worden, es gebe keine Verletzten.
In russischen Onlinemedien verbreiteten sich Videos, die in Kotelnitsch aufgenommen worden sein sollen und die Explosionen zeigen. Eine der Aufnahmen zeigt eine Drohne im Flug, zu hören sind zudem Schussgeräusche – mutmaßlich Versuche, sie abzuschießen.
Attacke in mehr als 1.000 Kilometern Entfernung von der Grenze
Übereinstimmenden Medienberichten zufolge ist es der erste ukrainische Drohnenangriff auf die Region Kirow seit Kriegsbeginn. Kotelnitsch liegt fast 1.200 Kilometer von der Staatsgrenze entfernt. Ukrainische Drohnen waren zuletzt aber auch in einer Entfernung von bis zu 1.800 Kilometern von der Grenze gesichtet worden, jedoch mutmaßlich ohne eingeschlagen zu sein.
Die satellitenbasierte Feuerkarte der Nasa zeigte zunächst keine Brände auf dem Gelände des Öldepots – was dafürsprechen könnte, dass die Angaben des Gouverneurs über deren schnelle Bekämpfung den Tatsachen entsprechen.
Die Feuerkarte verzeichnete jedoch Brände auf einem Öllager, das deutlich näher an der Grenze zur Ukraine liegt: bei der Stadt Astachow in der Region Rostow, knapp 180 Kilometer östlich der Frontlinie in der Ostukraine. Rostows Gouverneur Wassili Golubew berichtete zunächst von einer „Brandentwicklung“ in einem Treibstofflager infolge einer Drohnenattacke. Auch hier sei niemand verletzt worden. Den Namen der Stadt nannte er nicht, sprach aber vom Kreis Kamenskij, wo Astachow liegt.
Dem russischen Telegramkanal Baza zufolge sollen dort mindestens drei Öltanks in Brand geraten sein, Satellitenbilder zeigten mindestens zwei Tanks in Flammen. Der Kanal veröffentlichte das Video einer Explosion, die sich dort zugetragen haben soll. Demnach erfolgte der Angriff etwa um drei Uhr morgens. Auch Gouverneur Golubew hatte noch in der Nacht ohne Angabe näherer Details von einem Drohnenangriff gesprochen. Andere Kanäle veröffentlichten Videos großer Rauchsäulen über dem brennenden Lager.
Südrussisches Treibstofflager brennt seit elf Tagen
In Brand steht auch ein drittes großes Öllager, ebenfalls in der Region Rostow – den elften Tag in Folge. Das Öllager nahe der Stadt Proletarsk wurde am 18. August von Drohnen angegriffen, vergangenen Freitagmorgen sollen dort erneut Drohnen eingeschlagen sein. Der Brand dort war besonders intensiv, die Rauchsäule erstreckte sich zeitweise, wie aus Satellitenbildern zu erkennen war, über mehr als 100 Kilometer.
In der Anlage stehen insgesamt mehr als 70 Öltanks mit einem Gesamtvolumen von mehr als 350.000 Tonnen Treibstoff. Beobachter sprechen mit Verweis auf jüngste Satellitenbilder von knapp 20 zerstörten Zisternen, weitere sind noch in Flammen. An den Löscharbeiten waren nach Angaben örtlicher Medien etwa 500 Einsatzkräfte beteiligt, erfolgreich waren sie aber bislang nicht.
Das Lager in Proletarsk ebenso wie das offenbar weniger stark getroffene Lager in der Region Kirow werden von der Behörde für föderale Reserven verwaltet und gehören somit zum staatlichen Reservefonds. Die Ukraine bekannte sich offiziell bisher nur zum Angriff auf das Lager in Proletarsk. Daraus sollen unter anderem russische Militäreinheiten mit Treibstoff versorgt worden sein. Ukrainische Medien berichteten unter Verweis auf Sicherheitskreise, dass der ukrainische Militärgeheimdienst HUR für die Attacke auf das Depot in Kirow verantwortlich war.
Die Ukraine hatte zuletzt ihre Angriffe auf militärische Einrichtungen sowie Energieanlagen wie Ölraffinerien und -depots in Russland stark ausgeweitet. Allein im August attackierten ukrainische Drohnen sechs Militärflugplätze, nun drei Treibstofflager, ein großes Munitionslager und einen Hafen, von dem aus Fähren Treibstoff auf die besetzte Krim bringen. Eine Fähre wurde dabei zerstört. Auf den angegriffenen Militärflugplätzen wurden mehrere Kampfjets und Bombenlager sowie weitere Flugplatzinfrastruktur zerstört oder schwer beschädigt.
Drohnen, Raketen und eine „Raketendrohne“
Das ukrainische Militär versucht, die von westlichen Unterstützerländern auferlegten Einschränkungen beim Einsatz weitreichender Waffen auf russischem Staatsgebiet mithilfe selbst produzierter Drohnen auszugleichen. Mit Geschwindigkeiten von wenigen Hundert Kilometern pro Stunde sowie einer Sprengladung von deutlich weniger als 100 Kilogramm sind die Drohnen zwar günstiger, aber deutlich weniger leistungsfähig als Marschflugkörper oder Raketen.
Die Regierung in Kiew will daher ihr eigenes Raketenprogramm ausweiten. Vergangene Woche sprach sie von der Entwicklung einer sogenannten Raketendrohne – einer mit einem Düsentriebwerk ausgestatteten Drohne, die die Eigenschaften eines Marschflugkörpers besitzen soll. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach bereits vom ersten erfolgreichen Test einer ukrainischen ballistischen Rakete. Details zu beiden Programmen sind aber nicht öffentlich bekannt. Einsatzfähig ist hingegen bereits seit Monaten der Seezielflugkörper Neptun, den die Ukraine für den Einsatz gegen Bodenziele modifiziert und mehrfach gegen Ziele in Russland eingesetzt hat.