Bremen – Ruth ist gerade erst sechs Jahre alt, ein kleines Kind, als sie vom Stiefvater missbraucht wird. Im Kinderzimmer, Heizungskeller. Stumme Zeugen ihres Martyriums und weiterer grauenhafter Taten sind jetzt in einer Ausstellung in Bremen zu sehen.

Immer, wenn die Mutter nicht zu Hause ist, schleicht sich der Stiefvater in ihr Zimmer, stellt sich vor Ruths Bett. „Ich musste ihn anfassen – da unten. Ich habe Angst vor ihm.“ Jahre später missbraucht er Ruth im Heizungskeller. „Ich ekele mich. Möchte schreien, weglaufen, kann nicht. Er hat gesagt, ich komme ins Heim, wenn ich jemandem davon erzähle.“

Lange kann sich Ruth nicht wehren, hat niemanden, dem sie sich anvertrauen kann. Ihre Verzweiflung wird immer größer. „Am liebsten würde ich mich hinter unserem Haus auf die Schienen legen. Einfach hinlegen. Warten, bis der Zug kommt. Dann wäre es vorbei.“

Fast acht Jahre erträgt Ruth die widerlichen Übergriffe des Stiefvaters. Mit 14 Jahren schafft sie es, sich zu wehren, findet mehr und mehr die Kraft, mit dem, was ihr angetan wurde weiterzuleben.

Es sind Sachen, die jeder trägt

Ihr Blümchenkleid ist eines von zwölf Kleidungsstücken, das in der Wanderausstellung „Was ich anhatte …“ gezeigt wird. Ein Schlafanzug, eine Lederjacke, Jogging-Klamotten, es sind Sachen, die jeder trägt, die aber an ein Verbrechen erinnern und den Opfern eine Stimme geben. Allein in Bremen gab es im Jahr 2023 laut polizeilicher Kriminalstatistik 146 Fälle von Vergewaltigung und sexueller Nötigung.

Organisatoren wollen zeigen: „Eine Frau wird nicht vergewaltigt, weil sie einen Minirock trägt“

Seit November 2020 tourt die Ausstellung durch Deutschland – Bremen ist die 44. Station. Sie soll verdeutlichen, dass sexualisierte Gewalt ein strukturelles Problem ist. „Eine Frau wird nicht vergewaltigt, weil sie einen Minirock trägt“, betonen die Organisatoren.

Die Opfer – die jüngste war sechs Jahre alt, die älteste Frau weit über 80 – tragen keine Schuld. Ihre Erzählungen von sexualisierter Gewalt im Seniorenheim, bei einer Betriebsfeier, bei einem Lehrgang, bei einem Ausflug mit Freundinnen stehen im Vordergrund.

Sie ist bis 9. September im Wilhelm-Wagenfeld-Haus bei der Polizei in der Hansestadt zu sehen, danach werden die Kleidungsstücke in Minden gezeigt.