Mit der linken Hand klopfte sich Florian Wirtz (21) nach seinem Treffer zum 1:1 gegen Wolfsburg vor Freude auf den rechten Oberarm. Immer wieder auf die Stelle, auf der das goldene Bundesliga-Logo auf dem Leverkusener Trikot-Ärmel angebracht ist. Dazu der Schriftzug in Schwarz auf Weiß: „Deutscher Fußballmeister 2023/24.“ Die Fans jubelten ihrem Star begeistert zu. Wegen des Treffers und der Geste.
Für Wirtz war es beim 4:3 gegen die Niedersachsen schon der vierte Ligatreffer am vierten Spieltag. In der Champions League hatte er am Donnerstag zuvor beim 4:0 in Rotterdam zweimal getroffen. Der erste Doppelpack eines deutschen Spielers beim Debüt in der Königsklasse war das. Der Leverkusener Spielmacher hat zu Beginn der Saison den nächsten Entwicklungsschritt gemacht.
Wirtz kommt in Gala-Form zum Top-Spiel nach München. Erster gegen Zweiter. Rekordmeister gegen Meister. Zudem ist es der Zauber-Gipfel der beiden deutschen Überflieger: Jamal Musiala (21) gegen Wirtz.
In der Nationalmannschaft wirbeln sie zusammen. Der FC Bayern will sie gemeinsam im Trikot der Münchner sehen und den Leverkusener 2025 verpflichten. Das wollen auch Real Madrid und Manchester City. Viel mehr Vereine gibt es nicht, die 150 Millionen Euro Ablöse zahlen und für Wirtz interessant werden können.
Wenn er geht, will er die Perspektive haben, die Champions League und den Ballon d’Or als bester Spieler der Welt zu gewinnen, für den er schon in diesem Jahr nominiert ist.
Deshalb ist Paris, das ebenfalls Interesse zeigt und die Millionen hat, raus aus dem Rennen. Der FC Arsenal mit seinem jungen Team, das am englischen Thron von Manchester City kratzt, steigt dafür voll ein. Die Londoner hatten ihn schon in der Jugend in Köln intensiv beobachtet. Ein Wechsel auf die Insel war damals für den Techniker noch ausgeschlossen.
Am Samstag geht es für Wirtz nur darum, zu zeigen, dass er und seine Mitspieler das goldene Logo zu Recht auf dem rechten Ärmel tragen. Und dass er bereit ist, Leverkusen gemeinsam mit Granit Xhaka (31) in großen Spielen zu führen. Dass er nicht nur mit seiner herausragenden Leistung Zeichen setzt, sondern auch immer mehr Verantwortung übernimmt – das ist der nächste Schritt, den er gerade macht.
Ein Beispiel: Wirtz schnappt sich mittlerweile die Leverkusener Elfmeter mit größter Selbstverständlichkeit. Er bestimmt, wer Freistöße ausführt. Auch erfahrene und gute Schützen wie Alejandro Grimaldo (29), Europameister mit Spanien, richten sich nach Wirtz.
Trainer Xabi Alonso (42) spürt die Entwicklung jeden Tag. Er sagt: „Die Zehn ist auf Flo zugeschnitten.“ Sie ist nicht einfach nur die Rückennummer des Stars in Leverkusen. Er lebt den Mythos der Zehn. „Er ist einer dieser außergewöhnlichen Spieler, der die Zehn zu würdigen weiß“, erklärt Alonso in der Double-Doku „A dream comes true“. „Davon gibt es nicht viele, aber Flo ist ganz sicher einer davon.“
Das ist womöglich der Punkt, in dem er sich von Musiala abhebt und der Grund dafür, dass die beiden Zauberer so gut harmonieren. Der Münchner sucht noch mehr die Dribblings. Wirtz lenkt das komplette Offensivspiel. Er ist immer bereit für ein Solo und den Abschluss, was seine Treffer-Quote belegt. Aber er sieht genauso die Mitspieler, die er in Szene setzen kann, damit die Mannschaft Erfolg hat. Er läuft regelmäßig mehr als zwölf Kilometer pro 90 Minuten, gewinnt in der Defensive Zweikämpfe und reißt Löcher, damit andere Bayer-Stars wie Victor Boniface (23), Jeremie Frimpong (23) und Zugang Martin Terrier (27) Räume haben. Wenn sie glänzen, erstrahlt Wirtz noch mehr.
Seine herausragende Bilanz: In 159 Pflichtspielen für Leverkusen hat er 47 Treffer erzielt und 51 weitere vorbereitet.
Alonso lässt Wirtz in der Führungsrolle immer weiterwachsen. Der Leverkusener ist womöglich der letzte echte deutsche Straßenfußballer. Er will sich immer messen. In jedem Spiel, in jedem Zweikampf. Auch deswegen hat es Alonso leichter, mit den Startschwächen des Meisters umzugehen.
Die gesamte Mannschaft wackelt in der Defensive. Es entstehen nach Ballverlusten größere Lücken, die nicht geschlossen und von den Gegnern genutzt werden. Die Gier, Bälle zu erobern, scheint nicht so groß wie in der Double-Saison. In der Offensive konnte es die Mannschaft außer beim 2:3 gegen Leipzig ausgleichen. Dank Wirtz.