Diese Hölle ist einfach nicht zu begreifen.
Zweieinhalb Jahre war der ukrainische Soldat Juri Gultschuk in russischer Kriegsgefangenschaft. Zweieinhalb Jahre Hölle, die kaum zu beschreiben ist.
Am 14. September kam der heute 22-Jährige durch einen Gefangenenaustausch endlich frei – und sprach kein Wort mehr. Der junge Mann zeigte keinerlei Emotionen, noch nicht mal, als er seine Mutter zum ersten Mal nach der Freilassung wieder umarmte.
Was um alles in der Welt haben die Russen in dieser Zeit mit ihm gemacht, dass Juri die Sprache verlor und nur noch Leere in seinem Blick hatte?
► Jetzt hat er seine Sprache wiedergefunden und die ersten Worte über seine schmalen Lippen gebracht, berichtet „Radio Swoboda“. „Warum so viel Schmerz? Warum so viele Lügen? Warum sind Menschen so grausam zueinander?“ Das ist, was er fragte, was er verstehen will – und worauf er wahrscheinlich nie eine zufriedenstellende Antwort bekommen wird.
Seine Mutter Milena Kompanietz ist an Juris Seite, steht ihm bei, wie es nur geht. Sie wusste schon länger von ehemaligen Mitgefangenen, dass ihr Sohn alles Emotionale abschaltete. „Die Leute, die aus seiner Zelle entlassen wurden, sagten, er habe im Juni 2023 aufgehört zu reden“, berichtet sie. „Ich hatte nicht gehofft, dass er die Fahnen sehen und sofort anfangen würde zu reden, aber mit einem solchen Zustand habe ich natürlich nicht gerechnet. Ich hatte große Angst, ich hatte Todesangst.“
Juri Gultschuk sieht aus, wie so viele, die in den Folter-Lagern der Russen waren: Dünn bis auf die Knochen, blass, innere und äußere Verletzungen – und Narben auf der Seele, die für immer bleiben werden.
Folter und vor allem Hunger sind die Mittel, mit denen die Russen systematisch und oft mit sadistischer Freude Ukrainer langsam und brutal zerstören.
„Ich habe herausgefunden, dass die Kriegsgefangenen drei Löffel Brei bekommen, eine halbe Tasse Tee und zwei dünne Scheiben Brot am Tag“, erzählte seine Mutter Milana Mitte Juni in einem Interview. „Sie können nicht normal trinken, es gibt nur eine Tasse Wasser am Tag für acht Menschen. Sie werden gezwungen, 18 Stunden am Tag zu stehen.“
Vor allem der Hunger macht neben den Schlägen einen Menschen fertig. Denn der Körper beginnt, sich selbst zu essen. Zuerst verbrennt er alles Fett, dann werden die Muskeln zerstört. Auch der Herzmuskel wird immer dünner, was am Ende oft zu Herzversagen führt.
Juri ist noch auf einen Rollstuhl angewiesen, muss physisch und psychisch aufgepäppelt werden. „Ich lispele ein wenig, aber wie Sie sehen, rede ich. Ich fühle mich normal. Ich bin heute sogar wieder ein wenig auf die Beine gekommen. In naher Zukunft habe ich vor, vielleicht sogar eine Raucherpause einzulegen.“