Diese Geschichten sind schwer zu ertragen. Sie zu begreifen, ist praktisch unmöglich. Und dennoch müssen sie erzählt werden. Um die Kriegsverbrechen zu dokumentieren und das unfassbare Leid, das sie verursachen.

Als Russland am 24. Februar 2022 begann, die Ukraine zu überfallen, brachte das eine ungeheure Brutalität mit sich. Bis heute. Im Angriffskrieg der Russen leiden vor allem diejenigen, die in russische Hände fallen. Was sie in russischen Lagern erleben müssen, ist die Hölle auf Erden. Sadistisch und systematisch gefoltert, sollen diese Menschen physisch und psychisch zersetzt werden.

Wenn Kriegsgefangene großes Glück haben, kommen sie frei, meistens durch einen Gefangenenaustausch. Einige nach ein paar Monaten, andere seit Beginn des Kriegs. Nicht viele finden dann die Kraft, über ihr Martyrium zu sprechen. Was sie Grauenhaftes erzählen, schnürt einem Kehle und Herz zu.

Zur Strafe Zähne gezogen

► Kickboxer Olexij Anulja (30) war 2022 zehn Monate in russischer Kriegsgefangenschaft und berichtet immer ausführlich in Interviews mit Zeitungen und TV-Sendern darüber: „Das Schlimmste war, als sie mich zwangen, meine Hose runterzuziehen und versuchten, mich zu vergewaltigen. Ich wehrte mich und sagte ‚Ihr seid doch gegen Schwule, gegen Europa?‘ Er erwiderte ‚Das interessiert mich nicht.‘ In diesem Augenblick begann Artilleriefeuer und sie ließen von mir ab. Einer von ihnen sagte, dass sie einen anderen, der attraktiver ist, finden. Am nächsten Tag hörte ich sie einen anderen vergewaltigen.“

Er hing trotzdem sechs Tage lang an seinen hinter dem Rücken gefesselten Händen.

In einem anderen Lager wurde der Kickboxer dabei gesehen, wie er auf dem Weg zum Speisesaal Brot kaute. „Sie brachten sie mich zu einem Zahnarzt, dem sie befahlen, zwei meiner Backenzähne zu ziehen. Der Doktor wollte nicht, aber sie zwangen ihn. Ich gebe dem Zahnarzt keine Schuld, aber es war furchtbar. Die Schmerzen waren nicht auszuhalten, überall war Blut. Der Zahnarzt holte die zwei Zähne raus, zeigte sie den Wärtern und fragte, ob es genug sei.“

Als Olexij Anulja in einem Lager in Kursk war, wurde er stundenlang geschlagen. So sehr, dass er nicht zur Toilette gehen konnte. „Mein kompletter Körper war lila. Sie brachen meine Nase und einen Wirbel. Sie schlugen uns überall. Es interessierte sie nicht, ob irgendetwas brach. Sie schlugen auch Zivilisten, Alte, Kranke und Frauen im Gefängnis.“

Aus Verzweiflung Würmer und Ratte gegessen

Sie schlugen morgens, mittags, abends, zwischendurch, mit einer Begründung und ohne. Über jeden Gefangenen wird eine umfangreiche Akte angelegt, alles wird mit Kameras überwacht und aufgezeichnet. „Blut kam aus dem Kopf, den Händen, den Füßen und dem Anus. Rippen, Finger sind gebrochen. Sie schlugen gezielt das kranke Bein. An der rechten Hand wurden die Sehnen am Daumen mit einem rostigen Messer durchtrennt.“

Zum Mittag gab es manchmal ein einzelnes Kohlblatt in kochendem Wasser. „Ich war am Verhungern, aber mehr als dieses Blatt gab es nicht.“ Ein einzelner Kanister diente als Urinal, wenn der voll war, hatten sie Pech. In jedem neuen Lager wurden sie von der Ankunft bis in die Zelle geschlagen. „Einmal hatten wir zwei Tage lang nichts zu essen. Danach bekamen wir extrem salzigen Kohl zum Essen. Es brannte innerlich, also schmiss ich es weg, obwohl ich hungrig war.“

Olexij wog vor seiner Gefangenschaft 98 Kilogramm, danach 36 Kilogramm weniger und er schrumpfte um sechs Zentimeter auf 1,86 Meter.

Seine Beine fingen an zu verrotten, weil sie ständig mit einem Plastikstock geschlagen wurden. Der Hunger war gigantisch groß. Einmal fand Olexij eine Handvoll Würmer und aß sie. Aus lauter Verzweiflung aß er auch Klopapier, abgelaufene Zahnpaste und Seife.

„Eine kleine Ratte kam und ich sprang auf sie. Die Russen hörten die Geräusche und kamen zu mir. Ich stopfte mir die Ratte in meinen Mund. Als sie die Zelle öffneten, stand ich da mit der Ratte im Mund, die sich zu winden begann. Blut quoll raus und die Russen dachten, sie hätten meine Nieren kaupttgeschlagen und gingen wieder. Ich aß die Haut der Ratte, die Innereien, ich kaute sogar die Knochen. Nur die Zähne spuckte ich aus. Satt wurde ich nicht.“

Die Gefangenen mussten 18 Stunden am Tag stehen, Bewegung war verboten. Als endlich der Tag des Austauschs kam, bekam Olexij andere Kleidung. Getrocknete Exkremente waren auf der Unterhose, an der Hose hingen Sehnen, Erbrochenes und Blut klebten auch daran.

Die bittere medizinische Bilanz: „Gehirnerschütterung, Gehirnhämatom, gebrochene Nase, gebrochener Kiefer, Finger, zwei Schlüsselbeine, rechtes Schulterblatt, Wirbelfrakturen gebrochenes Steißbein. Ich hatte Prellungen an allen Organen, gebrochene Rippen und eine unbehandelte Prellung.“ Es wird nicht alles heilen.